soulfood düren – #014

Mexican Burger, Düren, Juli 2017

Burger

Es dauert eine ganze Weile, bis die Kellnerin an meinen Tisch kommt. „Ich bin gleich bei ihnen“, sagt sie im Vorbeigehen. Es ist nicht wirklich voll an diesem späteren Mittwochmittag, aber sie nimmt sich Zeit für die Gäste. Auf der Terrasse vor dem Laden sitzen ein mittelaltes Paar in Freizeitkleidung, zwei jüngere Frauen in der Mittagspause, davon eine mit Kopftuch, und ein betagteres Ehepaar. Weiterlesen

ethnografische notizen 77: restaurant day

Snack Yard, Restaurant Day – Essen 2014

Snack Yard, Restaurant Day – Essen 2014

Auf dem Bürgersteig kommt uns ein älteres Ehepaar entgegen. „Hier gibt es leckere Sachen“, sagt die Frau zu uns, als sie sieht in welche Richtung wir uns bewegen, „da sind Sie richtig!“ Ihr Mann nickt freudig. „Snackyard – Finest Food Solutions“ steht auf ein um einen Laternenpfahl gewickeltes Plakat in Holzoptik mit der Abbildung eines mit einem Messer aufgespießten Sandwiches. Eher ungewöhnlich für dieses ansonsten eher ruhige Wohnviertel in Essen-Stoppenberg, in unmittelbarer Nähe zum Weltkulturerbe Zeche Zollverein. Aber heute ist ein besonderer Tag, Restaurant-Day.

„Ein Karneval des Essens“, nennen die Veranstalter das 2011 erstmals in Helsinki, Finnland entwickelte Format. Am Restaurant Day im August vor einem Jahr nahmen immerhin schon 1682 „Restaurants“ in 35 Ländern teil. Wobei Restaurant hier die Bezeichnung für die Initiativen von denjenigen sind, die ambitioniert genug sind, ihre ganz privaten kulinarischen und logistischen Fähigkeiten für einen Tag lang öffentlich unter Beweis zu stellen. Geht auch ganz ohne eigenes Lokal. „Ob daheim, im Büro, im Park, auf der Straße, in der Garage, im Innenhof, am See – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt“, heißt es auf der Homepage. Knapp 20 Pop up-Restaurants und Cafés gibt es an diesem Tag in Deutschland und auch für NRW ist das Angebot eher beschränkt, insofern man das der nicht besonders ergiebigen Karte entnehmen kann. Die Pfadfinderküche der AG-Internationales der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg in Köln oder ein Sommerliches Kräuterbüffet in Tönisvorst. Und den Snack Yard in Essen-Stoppenberg eben.

Am Haus vorbei gehen wir durch einem weißen Pavillon nach hinten auf den Hof. Dort ist schon richtig was los. Ein ziemlich gemischtes Publikum unterhält sich auf Bierbänken und Gartenstühlen, an Stehtischen, vor allem aber in einer langen Schlange vor dem Carport, in dem sich heute die Küche befindet. Ein gepflasterter Hof, akkurat geschnittener Rasen, ein Pool und hohe Koniferen. Man trinkt Stauder-Pils aus der Flasche oder selbstgemachte Limonade mit einem rosa-weiß gepunkteten Strohhalm. Es regnet ein bisschen und hier und da werden geblümte und karierte Schirme aufgespannt. „Komm, wir stellen uns noch einmal an“, sagt ein Mann neben uns zu seinem Kumpel. „Das bisschen Regen macht mir eigentlich nichts“, sagt der, „aber diese Böen …“

Chef Lukas, Restaurant Day – Essen 2014

Chef Lukas, Restaurant Day – Essen 2014

Die mit der Hand auf Packpapier geschriebene Speisekarte verspricht Pulled Pork-Burger und Pastrami-Sandwich für jeweils 5 Euro, Reuben-Sandwich mit Pastrami, Sauerkraut, Russian Dressing und Käse für 6 Euro. „Mama“, ruft der Chef über den Hof in Richtung seiner Mutter, die sich mit den Gästen unterhält. „Das Kind ruft“, sage ich und stupse sie an. Er reicht ihr ein leeres Limonadenglas. „Und ich dachte schon es wäre was wichtiges“, lacht sie. „Ich nehme schon mal die Bestellung auf“, sagt eine junge Frau in einem gestreiften Vintage-Kleid mit rotem Kragen. „Wir nehmen das volle Programm“, sage ich, „einmal Pulled Pork, einmal Reuben, einmal Pastrami und eine Portion Süßkartoffelpommes.“ Sie notiert unsere Wünsche und reicht uns den Zettel. Ihr ebenso tätowierter Kollege nebendran kümmert sich um die Getränke. Die Limonadenportionen stehen in Gläsern mit Schraubverschluss parat und werden bei Bestellung mit Mineralwasser aufgefüllt. Die Kasse erinnert, mit Ausnahme des Kartons mit der Aufschrift „Tips“, ein wenig an ein Pfarrfest. Wie rücken bis zum nächsten Kollegen vor, der mit schwarzen Gummihandschuhe frisch frittierte Pommes in spitze Tüten füllt. Hinter ihm arbeiten vier Fritteusen im Akkord, vor ihm stehen Plastikflaschen mit Senf, selbstgemachter BBQ-Soße und Mayonnaise.

Pulled Pork-Burger, Reuben-Sandwich und Süßkartoffel-Pommes, Restaurant Day – Essen 2014

Pulled Pork-Burger, Reuben-Sandwich und Süßkartoffel-Pommes, Restaurant Day – Essen 2014

„Bon neu“, ruft L., der Chef des Snackyards, als ich ihm meinen Bestellzettel reiche. Er trägt ein kariertes Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln und eine schwarze Schürze mit der Aufschrift „BBQ“. Vor ihm liegt ein dicker Stapel gewachstes Papier, in das er mit geübten Griffen die von der Equipe angereichten Sandwiches und Burger einwickelt und den Kunden überreicht. Ein Journalist der WAZ kommt und will ein paar Fragen stellen. „Ihre Kollegin für die Fotos war heute schon hier“, sagt L. „Sie haben ja genug zu tun“, sagt der Reporter, „geht das, wenn wir uns hier bei der Arbeit unterhalten?“ „Das werden wir ja dann sehen“, sagt L. gut gelaunt. Er reicht uns unsere Bestellungen – ein weiches Brötchen mit noch zarterem Schweinenacken, dünnen Apfelspalten und herzhafter BBQ-Soße, knusprig gegrilltes Brot mit Pastrami und geschmolzenem Käse – und wir finden tatsächlich eine leere Bierbank, auf der wir unsere Beute aufessen können.