ethnografische notizen 115: foodcamp oberpfalz (7/9) – donaufischerei

Diverse Donaufische, Kelheim, November 2015

Diverse Donaufische, Kelheim, November 2015

Die Landschaft auf dem Weg nach Kelheim hat schon Winter. Die Buchen an den Hängen entlang des Tals haben ihr Laub abgeworfen. Es liegt als rotbrauner Schein auf dem Boden. Eine gelb gestrichene Kirche mit einem grünlichen Zwiebelturm und Männer in schwarzer Uniform am Volkstrauertag. Weit unterhalb der Befreiungshalle stehen sie vor dem Kriegerdenkmal und lauschen trauriger Blasmusik. Einer von ihnen bedeutet uns, um die Ecke zu fahren. Vor dem Gasthaus „Zum Schwan“ steht eine junge Frau in einem grauen Strickkleid mit passenden Stiefeln und einem kleinen Dutt. Barbara von der Stadt Kelheim. Sie begrüßt uns mit einem äußerst ansteckenden Lachen. Neben ihr schüttelt uns Markus die Hand, Gastwirt und Vertreter der Fischereigenossenschaft. „Wir haben einen kleinen Vortrag zur Fischerei vorbeitet“, sagt er, „und der Lothar hat vor dem Klösterle seine Netze ausgelegt. Mal schau’n was drin ist, aber jetzt gehen wir erst einmal rein.“

In einem hübschen Saal mit Eichenparkett im Fischgratmuster und einem himmelblauen Jugendstilkachelofen gibt es wunderbare Butterbrezen in gelben Servietten, frischen Filterkaffee und Birnensaft von der hauseigenen Streuobstwiese. „Wir hoffen, dass Sie die Donau mal so erleben, wie wir sie jeden Tag erleben“, sagt Barbara und Markus beginnt mit seinem Vortrag. Eine fundierte Geschichte des Fischereiwesens mit historischen Fotos. Ein älterer Mann in einem blauen Overall und einer braunen Mütze mit Ohrenklappen betritt den Raum. „Das ist der Lothar“, sagt der Markus. Lothar bekommt einen Tasse Kaffee, die in seinen großen Händen um so zierlicher wirkt. Markus erklärt den Bootsbau. Sein etwa acht- oder neunjähriger Sohn hilft der Oma bei der Verteilung der Getränke. Allesamt tragen sie dunkelblaue Pullover und hellblaue Hemden. Kelhammer, wurden die berühmten Ordinarischiffe außerhalb auch genannt. Allerdings war die Stadtgesellschaft irgendwann so abgeschottet, das kein neues Wissen zum Schiffsbau nach Kelheim mehr gelangen konnte. Dabei handelt es sich mit den rund 40 Kilometern um das längste zusammenhängendes Fischereirecht an der Donau, das heute noch an die Grundstücke und Häuser gebunden ist. Seit 1472, um genau zu sein. Verliehen durch Albrecht, „Pfalzgraf bei Rhein, Herzog in Ober- und Niedern Bayern“, wie es in der Urkunde heißt, „„als einiger regierender Fürst für unsere lieben Brüder und all unser Erben, die Männer und ihre Hausfrauen.“ Heute existiert der Fischmarkt in Regensburg etwa nur noch als Adresse. Bis in die 1970er Jahre habe man da noch verkauft. Jetzt nur noch ein paar Fischpflanzerl zum Bürgerfest. „Kulinarische Spezialitäten von katastrophaler Qualität“, befindet Markus, „irgendwo im Großmarkt gekauft.“

Fischer Lothar mit Barsch, Kelheim, November 2015

Fischer Lothar mit Barsch, Kelheim, November 2015

Er übergibt an Lothar, dem wir nach draußen und runter an den Fluß folgen und der uns von riesigen Wallern erzählt – heuer bis zu 1,80 m groß. „Einen habe ich net rausg’holt, der war schwerer als wir. Den holen wir net ins Boot rein, hab ich g’sagt, das ist einfache Physik.“ Während wir am Ufer bleiben, steigt er in sein Boot und greift mit beiden Händen in einen großen wassergefüllten schwarzen Eimer. Nach und nach präsentiert er uns seinen Fang. Einen Schuppenkarpfen, mehrere Barben, eine Aalrute und eine Quappe, die mit dem Dorsch verwandt ist. Er zeigt uns einen kleinen Hasel, von dem es früher so viele gegeben habe, dass sie einem ins Boot gesprungen sein. Das Gespräch kommt auf die Fischpflanzerln von vorhin. „A bisserl Salz, Pfeffer, Majoran, Muskatnuss und … ein zwei Stamperl Schnaps.“ Den Abschluss der Fischparade macht ein Barsch. „Der stellt seinen Zacken auf, wenn ihm was quer kommt“, sagt Lothar und lässt den Fisch seine Rückenflosse aufstellen, „das ist aber genauso schnell wieder vorbei.“ Ein Schlauchboot mit drei jungen Männern fährt an uns vorbei. „Umkehr’n“, ruft Lothar und winkt in die andere Richtung. Die Männer schauen und fahren langsam weiter. „Umkehr’n!“, ruft Lothar noch einmal, einen Ton energischer „da habt’s ihr nix verloren. An der Kanalmündung ist Schluss.“ Das Schlauchboot kehrt um. „Sowas“, sagt Lothar.

Wir hingegen, zumindest fünf von uns, dürfen aber in die Holz-Zille steigen und ein Stück die Donau mit hinunterfahren. Mit ordentlichem Tempo legen wir los. Die Kante des Bootes liegt nur knapp über der Wasseroberfläche und während ich mir die Kamera in die Jacke stecke, wird meine Hose nass. Außerdem trage ich ziemlich unpassende Turnschuhe. Der Fischer erklärt, was wir sehen und auch, was wir noch sehen werden. Seine Vorhersage ist dabei ziemlich akkurat. Wir betrachten den Grund der Donau. „Wenn es still ist, kann man hier die Kiesel rollen hören.“ Er benennt uns die eindrucksvollen Felsformationen, von denen er als Junge heruntergesprungen ist und zeigt uns die Kanten, an denen die Fische in der Tiefe stehen. Wir erspähen die Höhle eines Uhus und das Nest eines Wanderfalken, die Ringe in der Felswand, an denen man sich in Zeiten ohne Motor entlanghangeln konnte und Sandstrände so fein wie Meer. „Gleich kommen die Eisvögel“, sagt Lothar und in den nächsten zwei Minuten fliegen gleich zwei an uns vorbei. Den Biber, erklärt er, habe man erst in den 1960ern hier angesiedelt. Und auch die Kormorane, die in einer Kolonie auf einem großen Baum am Wasser sitzen, seien keine heimischen Vögel. Ein halbes Kilo Fisch fressen sie am Tag und sind damit durchaus Konkurrenz für den Fischer. Das eigentliche Problem aber seien die Gänsesäger mit ihrem unersättlichen Hunger. Das Kloster Weltenburg kommt in Sicht, mit seiner Mauer, die im letzten Hochwasser umgedrückt wurde. „Früher“, sagt Lothar, hatten wir Winterhochwasser. Heute vor allem im Sommer. Alles der Klimawandel.“ Wir legen an und schauen zu, wie er die Fische im Eimer mit frischem Wasser versorgt. „Der Hasel“, sagt er, „der muss noch wachsen.“ Er wirft in zurück ins Wasser. „Die Braxen müsst’s ihr oberhalb der Seitenlinie einschneiden“, erklärt er uns noch einmal vor dem Ablegen, „dann sind die Gräten kaputt und die Gewürze können besser einziehen.“