miniportion 282: sahneteilchen

Sahneteilchenrechnung, Geilenkirchen 2013

Sahneteilchenrechnung, Geilenkirchen 2013

„Muss ich hier wirklich aussteigen“, fragt mich mein Mann als ich in der Innenstadt von Geilenkirchen parke. Es nieselt und der Wind fegt braune Blätter durch die leere Ortsmitte. „Musst Du“, antworte ich, „Du bekommst auch ein Stück Kuchen.“ Nur ein paar Häuser weiter finden wir tatsächlich ein geöffnetes Café. „Treffpunkt aller, die niveauvolle Gastlichkeit und die hohe Kunst von Konditorei und Café zu schätzen und zu genießen wissen“, steht in der Speisekarte. So gut wie alle Tische sind besetzt, mehrheitlich Endfünfziger sitzen auf den Stühlen, deren Muster entfernt an Giraffen erinnern. Ein paar Gäste stehen an der Kasse neben der Kuchentheke und wollen bezahlen. Auf unseren Tisch steht ein leerer Teller, eine Tasse mit einem Rest Milchkaffee und ein Bon zur Abrechnung. Die junge Kellnerin scheint nur für den Bruchteil einer Sekunde irritiert von der Tatsache, dass ich gerade noch nicht abgeräumtes Geschirr fotografiere. Mein Mann bestellt einen Milchkaffee und ein Stück von dem Kuchen mit den Kirschen obendrauf, den er im Schaufenster gesehen hat. „Da muss ich erst mal gucken gehen“, sagt sie freundlich aber bestimmt, bringt dann aber doch auf Anhieb die gewünschte Torte, die sich als „Kirsch auf Reis“ entpuppt. Ich werfe einen Blick auf den Bon, den ich vor der Serviererin gerettet habe, indem ich meine Kamera daraufgestellt habe. Cappuccino für 2 Euro und Sahneteilchen für 1,80. Über dem Kühlschrank meiner Kindheit hing jahrzehntelang ein handgemaltes Schild mit der Aufschrift „Sahne- und Cremeteilchen befinden sich im Kühlschrank“, das meine Eltern aus dem Nachlass eines benachbarten Konditors gerettet hatten. Mit Sahneteilchen kann man aber offensichtlich abseits der urbanen Zentren immer noch punkten. Eine ältere Frau im Mantel kommt an unseren Tisch und schaut suchend auf unseren Kuchen. „Entschuldigung“, sagt sie, „da ist er ja.“ Sie lacht und greift nach dem Kassenbon. „Der ist wohl noch von mir.“

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