
Kein Schaum, keine Mousse und keine Essenz, sondern Erbspüree – zumindest die Reste davon, Köln 2014
Auf dem Weg von der U-Bahn-Station „Rathaus“ bis zum maiBeck an der nordöstlichsten Ecke der Kölner Altstadt begegnen wir dem Ausflug eines Blasmusikvereins aus dem Hunsrück und insgesamt neun Junggesellen- und Junggesellinnenabschieden. Junge Frauen mit Zylindern und eindeutig zu engen Miedern und Herren in einheitlich bedruckten T-Shirts signalisieren ihre Bereitschaft zum Feiern und zu allem anderen. Die Tische vor den Lokalen sind bis auf den letzten Platz besetzt. Es gibt Pasta und Schnitzel mit Fritten und Salat.
Das maiBeck ist im Gegensatz zum Trubel der Hauptverkehrsadern der Altstadt, trotz der angeregten Gespräche an den Tischen, geradezu eine Ruhezone. Wir entscheiden uns für einen Tisch im oberen Raum. Zu meiner Linken blicke ich auf einen Rest Rheingarten mit Fluss und einem kleinen Stückchen Hohenzollernbrücke über den grünen Bäumen, zu meiner Rechten geht die Aussicht auf die Philharmonie und, die Straße hinauf, auf das Römisch-Germanische Museum.
Die Kellnerin bringt uns ein Glas Sekt mit Rhabarber und die lustigen Dänen hinter uns ordern die zweite, für skandinavische Verhältnisse vermutlich unglaublich günstige, Flasche Wein. Dem wollen wir nicht nachstehen und bestellen einen Pinot Noir aus dem Burgund. Der Sommelier, beziehungsweise der Herr, der unsere Weinbestellung aufnimmt, sagt, dass er noch genau eine Flasche davon habe. „Glück gehabt“, denken wir und freuen uns auf das Essen. Weißbrot und dunkleres Sauerteigbrot werden in einem kleinen schlichten Kasten aus hellem Holz auf den Tisch gestellt, dessen Form und Material sich in den Tabletts der Servicekräfte, den Regalen an den Wänden und den Lampen an der Decke wiederfindet. Geradeaus gucke ich in die Küche, in der Herr Maier sich gerade um den Fisch kümmert. Trotz der vielen Gäste herrscht hier erstaunlich wenig Hektik, es wird gelacht und hin und wieder ist sogar Zeit für kurze Gespräche.
Herr Becker serviert uns die Vorspeise aus Artischockenvierteln, Kapern, Orange und Salbei. Es folgt Butt mit jungem Lauch mit Pfifferlingen. Eine Dame und ein Herr wechseln mehrmals den Tisch, bis sie den richtigen Platz gefunden hat. „Vorsicht mit der Stufe“, sagt die Bedienung jedes Mal geflissentlich. Der Lauchsud ist so zurückhaltend, dass der Eigengeschmack des angenehm festen Fischs im Vordergrund steht. Auch beim Schweinebauch vom Limburger Klosterschwein mit Wirsing und sehr kleinen Apfelwürfeln, der uns diesmal von Herrn Maier gebracht wird, ist die Beilage eine Beilage und keine geschmackliche Konkurrenz der Hauptzutat. Man versteht es, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Zur saftigen freilaufenden Poularde aus dem Münsterland gibt es Spargel und Erbspüree. Kein Schaum, keine Mousse und auch keine Essenz, sondern Püree. Der Spargel kommt aus Fischenich. „Fischenisch“, sagt die Kellnerin, „das ist nicht weit von hier, bei Hürth.“ Das Essen erzählt seine eigene Geschichte.
Als das Konzert in der Philharmonie vorbei ist, reihen sich die gelben Schilder auf dem Dach der Taxen hintereinander und ihre roten Rücklichter reflektieren in der glänzend schwarz gekachelten Wand vor dem Eingang zur Küche. Nach den marinierten Erdbeeren mit hausgemachtem Sauerrahmeis, einem doppelten Espresso aus Ehrenfeld und einem Kräuterbitter namens Kallendresser aus der Roonstraße verlassen wir das Restaurant nach knapp drei Stunden. Hier, an der nordöstlichsten Ecke der Altstadt, ist es ruhig geworden, die Konzertbesucher sind abgefahren und Deutz versinkt auf der anderen Seite des Flusses im Dunkel der Nacht. Um die Ecke steht der Blasmusikverein von vorhin mit neon-grün leuchtenden Kopfbedeckungen aus Strohhalmen vor einer Bar und raucht ermattet vor sich hin.
Ein wunderbarer Abend, so oder so.