Das mit dem Schlachten ist eine einfache Sache. Eins der Schweine wird ausgesucht. Elektrozange angesetzt. Stromstoß. Schwein fällt um und zuckt vielleicht noch ein bisschen. Einer der Hinterläufe wird an einem Haken befestigt und von einem Motor hochgezogen. Kehlschnitt. Ausbluten. Gebrüht, geflämmt. Mit geübten Handgriffen und einem sehr scharfen Messer wird die Bauchdecke geöffnete. Gedärm entnommen, Innereien aneinanderhängend an eine Art Karussell gehängt. Mit einem langstieligen Beil, nicht mit der Säge wird das Tier in zwei Hälften zerteilt und auf einer Schiene in den nächsten Raum gezogen. Soweit die Kurzfassung. Den Rest möchte ich den Lesern ersparen. Mein Unwohlsein vorab, das Staunen beim Zugucken und die Wichtigkeit, den Vorgang mal gesehen zu haben. Das kann man vielerorts lesen und muss nicht noch einmal aufgeschrieben werden. Noch einen Erfahrungsbericht braucht keiner. So authentisch sie sein mögen, die Beschreibung des finalen Moments und das da herumkreisende eigene Befinden ist immer gleich. Aber es ist das Danach – der kurze Einblick in die Verarbeitung in der Wurstküche und der Besuch des Schweinestalls im klostereigenen landwirtschaftlichen Betrieb – das meinen Horizont an diesem Vormittag recht eigentlich erweitert. Weiterlesen
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miniportion 367: ibérico
Der Anspruch von Dokumentationssendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist ziemlich umfassend. Man kann dort in manchen Nächten alle jemals gemachten Filmaufnahmen vom Obersalzberg in einer Dauerschleife anschauen oder sich im Rahmen eines Themenabends die Gedanken von bleichen britischen Ägyptologinnen zu den mutmaßlich von den alten Ägyptern produzierten Broten und Bieren zu. Essen und Trinken kommt generell nicht zu kurz, auch wenn derzeit eine Tendenz zu Aufnahmen aus Segelflugzeugen besteht. Einmal jedoch sah ich eine sehr interessante Sendung über das Ibérico-Schwein, die vergleichsweise bodennah aufgenommen worden war. Und auch wenn ich mich nicht an sehr viel mehr erinnern kann als an die Tatsache, dass dieses Tier von Eicheln im Wald lebt, hat sie einen dauerhaften Eindruck hinterlassen. Seither weiß ich, warum gewisse spanische Schinken so gut schmecken und warum gewisse kleine Koteletts in den Auslagen diverser Feinkostgeschäft so teuer sind.
„Cerdo ibérico“ heißt übersetzt Schwein von der iberischen Halbinsel und „pata negra“, die handelsübliche Bezeichnung für den dazugehörigen Schinken, bedeutet soviel wie „schwarzes Beinchen“. Das klingt doch irgendwie sehr viel hübscher als Holsteiner Katen- oder Münsterländer Kernschinken.
Meine eigenen Erfahrungen mit Schweinebeinen beschränken sich übrigens auf zwei zartrosafarbene Füßchen, die ich einmal beim Biometzger bestellte, nicht mehr aus der Hand legen wollte und letztendlich doch zu Kroketten nach spanischem Rezept verarbeitete. Aber das ist eine andere Geschichte.
Vor einiger Zeit aber aß ich unter ganz besonderen Umständen ein ganz besonderes Stück vom Ibérico mit Namen „secreto“ (das Stück, nicht das Schwein). Dazu wurde ein mit sehr feinem Curry versehener, niedrigtemperatur-gegarter Teil eines Kraken gereicht. Das gefiel mir beides ausnehmend gut. Einen Dokumentarfilm muss man darüber aber nicht mehr drehen – im Fernsehen war das schon längst zu sehen.
miniportion 365: mettbrötchen
Neulich, so erzählt mein Mann mir, habe man in der Firma ein gemeinsames Frühstück anberaumt. Zur Vorbereitung hätten er und seine Kollegen überlegt – nachdem man sich mehrheitlich für die Anschaffung von Mettbrötchen entschieden habe – wie viel man denn so pro Person berechnen müsse. Letztendlich entschied man sich für beeindruckende 200 Gramm, deren Gesamtmenge vom Metzger als hübscher Marienkäfer mit Punkten aus Zwiebelringen in Form gebracht wurde. Nach wie vor kann ich mich nicht entscheiden, was ich bemerkenswerter finde – die 1,2 Kilogramm für die insgesamt sechs Mitarbeiter oder die Tatsache, dass man so mir nichts dir nichts zum Mettkonsum umschwenken kann. Die Portionsgröße wurde übrigens noch im Laufe des Vormittags mit Hilfe einer Briefwaage nach unten korrigiert. Mettbrötchen sind, so höre ich, zu einem festen Bestandteil der Firmenkultur geworden.
Meine frühesten eigenen Erinnerungen an Mettbrötchen sind mit der Filiale einer Aachener Bäckerei verbunden, in der sich meine Mutter unweit des Doms einmal ein ebensolches auf die Hand kaufte. Vielleicht irre ich mich da aber auch, weil meine Mutter eigentlich nur sehr selten, sehr ungern etwas aus der Hand isst. Dafür würde allerdings sprechen, dass sie lange Zeit das einzige Mitglied der Familie war, für das ein Mettbrötchen überhaupt in Frage gekommen wäre. Aber manche Dinge bleiben wie sie sind und manche ändern sich. Während meine Mutter vermutlich auch wie vor gelegentlich ein heimliches Mettbrötchen zu sich nimmt, ist mein Mann, denn ich in früheren Zeiten mit rohem Hack und Zwiebeln auf einem Weißbrötchen sehr einfach in die Flucht hätte schlagen können, ein erklärter Fan von Mett-Witzen in den sozialen Medien geworden ist. Letztens bekam ich die Fotografie einer aus Hackfleisch geformten Muppet-Figur auf mein Handy geschickt – ein Kermett gewissermaßen. So ist das in deutschen Büros.
miniportion 335: kotelett
Mit meinem Mann traten auch diverse küchentechnische Begriffe in mein Leben, von denen ich zuvor keine Vorstellung gehabt hatte. „Lummerkotelett“ zum Beispiel ist so ein Ausdruck, von dem ich mir sicher bin, dass ich ihm sonst vermutlich nie begegnet wäre. Lummer bezeichnet nämlich ein Lendenkotelett vom Schwein. Um alle Missverständnisse direkt aus dem Weg zu räumen, weise ich darauf hin, dass es sich bei der sogenannten Lummer-Gehrke-Platte nicht um den Bestandteil eines kalten Büffets sondern um einen optischen Filter zur Erzeugung schmalbandiger Spektrallinien handelt, dessen Funktion ich aber an dieser Stelle nicht vertiefen möchte. Im Unterschied zum gemeinen Kotelett stammt das Lummerkotelett aus dem hinteren Kotelettstrang und ist daher besonders knochenarm, was vermutlich die langjährige Präferenz meines Mannes begründet, dessen Tolerierung von Knochen auf dem Teller ein hartes Stück Arbeit für mich war.
Die meisten Koteletts dieser Welt stammen nun einmal vom Schwein, was wiederum die vollkommene Abstinenz auf den Tellern meiner Kindheit erklären würde, da Schwein ja aus nach wie vor nicht vollständig geklärten Gründen zuhause nur als Wurst und Aufschnitt, nie aber am Stück als Schnitzel oder eben Kotelett verzehrt werden durfte. Meine erste Erinnerung an ein Kotelett ist daher verknüpft mit einem aushäusigen Sommerfest des örtlichen Blasmusikvereins, das auf einer Wiese unweit des Kriegerdenkmals am unteren Ende des Dorfes stattfand. Zu lustigen Marschklängen konnte man dort gegen Abgabe eines entsprechenden Wertgutscheins („Märkschen“) eine Wurst oder ein Kotelett erwerben. Bei letzterem handelte es sich um ein zu Tode gegrilltes Stück Fleisch mit vergleichsweise viel Knochen. Das fand ich doof, nicht weil ich mich vor dem Knochen auf meinem Pappteller geekelt hätte, sondern weil ich schon als Kind ungern Reste nicht aufaß. Das ist übrigens nach wie vor ein hartes Stück Arbeit für mich.
miniportion 303: schweineschwanz
Wie bereits mehrfach beschrieben, stellten die bei meiner saarländischen Tante verbrachten Ferientage immer einen Höhepunkt dar. Nicht nur in kulinarischer Hinsicht mit warmen Fleischkäse und großen Mengen „Hoorischer“ Kartoffelklöße. Und auch nicht nur, weil ich alles durfte, was zuhause verboten war, sondern auch, weil alle großen Spaß daran hatten, mir mit unaufwändigen kleinen Aktionen große Freude zu bereiten.
Einmal zum Beispiel, da brachte meine in der Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin befindliche Cousine E. einen in Papier gewickelten Schweineschwanz aus ihrem Ausbildungsbetrieb mit. Dies tat sie zum einen in der Gewissheit, bei mir ordentlich damit punkten zu können, zum anderen aber auch aus der Überzeugung, ihrer Schwester A. damit ordentlich auf die Nerven gehen zu können. Ich erinnere mich, wie die beiden sich um den Küchentisch herum nachliefen – vorneweg Cousine A. mit einem leicht panischen Ausdruck im Gesicht und hintenan Cousine E. mit einem eher diabolischen Grinsen und besagtem Körperteil in der Hand, während meine Tante und ich in der Mitte saßen und zuschauten. Mal ehrlich, was kann man als Kind mehr von den großen Ferien erwarten?
Gegessen wurde das Mitbringsel übrigens nicht. Worüber ich damals einigermaßen froh war, da ich mir, um ehrlich zu sein, nicht ganz im Klaren war, ob es sich nun um den eigentlichen Schwanz des Tieres oder sein Geschlechtsorgan handelte. Woher hätte ich das auch wissen sollen, das Dschungelcamp mit seinem Aufklärungsauftrag gab es damals ja noch nicht und zu fragen, wäre mir viel zu unangenehm gewesen.
Grundsätzlich jedoch kann man natürlich auch einen Schweineschwanz essen – also den am äußersten Ende des Tieres. Weil man vor der Selbstbeschränkung auf fettfreies Muskelfleisch ja nichts umkommen ließ, kam der früher zusammen mit Schnauze und Ohren in die Suppe. Richtig zubereitet kann das nämlich sehr lecker sein.