La France en Pâtisserie – Rosa Roderigo

Mürbeteig Tarte Tatin & Konditorin Rosa Roderigo
(Fotos: Jennifer Braun & Dörthe Boxberg)

Im August habe ich insgesamt rund 49 Eier, 2.775 g Zucker und 1,675 kg Butter verbacken. Um den Zucker kommt man in der Pâtisserie nicht herum – der schöne deutsche Ausdruck „Zuckerbäcker“ kommt nicht von ungefähr. Aber über Eier, Butter, Sahne und Milch kann man sich durchaus mal Gedanken machen.
Daher habe ich mich wieder bei Rosa Roderigo gemeldet, die ich im Sommer dieses Jahres anlässlich ihrer Meister*innenprüfung als Konditorin interviewen durfte.
Das gesundheitliche, ökologische und ethische Für und Wider lasse ich an dieser Stelle außen vor, das kann und muss jede*r für sich selbst entscheiden. Aber interessant ist in jedem Fall, dass es für alles auch eine Alternative gibt …

Rosa, ist es eigentlich schwer, ohne tierische Produkte zu backen?

Man kann die meisten Rezepte ganz einfach „veganisieren“, man muss aber ein bisschen experimentierfreudig sein. Es gibt Rezepte, die auch ich ein paar Mal ausprobieren muss, bis ich sie so hinbekomme, wie ich das gerne hätte. Man braucht also ein bisschen Geduld, aber die muss man beim Backen ja sowieso haben.

Womit kann ich denn meine 49 Eier ersetzen?

Es gibt für alles eine passende Lösung. Statt Eiern kann man beispielsweise reife Bananen verwenden oder etwa Seidentofu. Damit bekommt man übrigens auch eine tolle Mousse au Chocolat hin. Gemahlene Leinsamen gehen auch. Da lautet die Faustregel: 2 Esslöffel Leinsamen in vier Esslöffeln warmem Wasser quellen lassen. Das sorgt für die Bindung, die sonst eben von den Eiern kommt.

Und die 1,675 kg Butter?

Margarine ist nicht nur günstiger, sondern auch verträglicher und reich an ungesättigten Fettsäuren. Nuss- oder Mandelmus gehen aber auch, oder Speiseöle. Dabei sollte man aber darauf achten, dass die kaltgepresst sind – wiederum wegen der Fettsäuren. Beim Speiseöl sollte man etwa dreiviertel der Butter ersetzen, also nicht die gesamte Menge. Kokosöl wäre auch eine Alternative. Damit wird das Gebäck sehr saftig, allerdings hat das einen intensiven Geschmack, den man mögen muss.

Und andere Molkereiprodukte?

Pflanzlichen Milchersatz gibt es ja inzwischen in jedem Discounter. Soja, Hafer, Reis – da kommt es auch wieder darauf an, was man für einen Geschmack haben will. Reismilch zum Beispiel ist meistens süßer und hat keine besondere Eigennote. Ich arbeite am liebsten mit Sojamilch, weil die eine sehr gute Bindung. Früher wurde außerdem auch viel ganz einfach mit Wasser gebacken.

Alles klar, dann ist der Rührteig für den Gâteau nantais schon mal abgedeckt. Wie machen wir den Mürbeteig für die Tarte Tatin?

Da würde ich mit Seidentofu arbeiten, für die lockere Beschaffenheit.

Da muss ich dann einfach mal ein bisschen mit experimentieren?

Hier kannst du das in der Tat komplett austauschen: 60-80 g Tofu ersetzen ein Ei. Das gilt auch für Bananen. Die sind eben auch ein gutes Bindemittel, aber eben auch geschmacklich auch präsent. Obwohl ich persönlich das bei fruchtigem Gebäck gerne mag.

Und die Puddingcreme im Paris-Brest?

Einfach Butter und Ei weglassen und auf die Stärke als Bindemittel setzen. Und ganz normales Puddingpulver ist im Normalfall auch vegan.

Bleibt noch der Honig in den Madeleines …

Denn kann man prima mit Zuckerrübensirup ersetzen. Ich bin mitten in der Lebkuchenproduktion und hab’s gerade ausprobiert. Ansonsten gehen aber auch Ahornsirup oder Agavendicksaft.

Rosas Instagram-Kanal @rosakochtgruen ist nach ihrer Meister*innenprüfung und während des ersten Lockdowns entstanden. Er bietet vegane Rezepte abseits der üblichen Salate und Bowls, handfestes und deftiges Essen für die Seele.

Und weil fast schon Weihnachten ist, gibt es hier – und nur für euch:

Rosas Lebkuchenrezept:

100 g Margarine
450 g Zuckerrübensirup
100 g brauner Zucker
600 g Mehl
20 g Kakao
1 Prise Salz
3 TL Lebkuchengewürz
1 TL Zimt
1/2 Packung Backpulver

Margarine und braunen Zucker im Topf bei kleiner Temperatur lösen.  Alle trockenen Zutaten in eine Schüssel geben und vorab vermengen. Zuckerrübensaft in die Mitte der Mischung geben. Die gelöste Margarine-Zucker-Mischung hinzufügen und mit einer Küchenmaschine durchkneten. Den Teig für mind. 1h kaltstellen. Den Ofen auf 170 Grad vorheizen. Nun den Teig circa 1 cm dick ausrollen. Beliebige Ausstecher wählen oder mit einem Messer die gewünschte Form ausschneiden und für circa 11-12 Minuten in den Ofen geben. Am besten schmeckt der Lebkuchen, wenn man ihn mit Kuvertüre abstreicht. Ausgarnieren kann man das Ganze aber auch mit Puderzucker und einem Tropfen Wasser. Wer mag kann den Guss mit Spinat oder Rote Beete Pulver durchfärben.

Viel Spaß!

#isswas 007 – kliekjes

Das Haus der Geschichte in Bonn beschäftigt sich in einer Wechselausstellung mit dem Titel „Is(s) was?!“ mit der Geschichte von Essen und Trinken in Deutschland. Im Rahmen der sogenannten IssWas-Woche (15. bis 21. Juni)  sind Hobby-Köch/innen und Profis, Foodies und Gelegenheits-Gourmets eingeladen, ihre Bilder, Anekdoten und Rezepte auf den Social-Media-Portalen des Museums zu teilen. Im Rahmen eines Tweetups am 22. Juni um 12.00 werde ich vor Ort in der Ausstellung die schönsten, lustigsten und skurrilsten Beiträge präsentieren und zur Diskussion stellen.

Jeden Tag stellen wir auf Facebook & Twitter eine andere Frage – heute:

Welche Rezepte zur Resteverwertung habt Ihr noch?

Besser als jedes Resteverwertungsrezept, Köln 2011

Besser als jedes Resteverwertungsrezept, Köln 2011

Zuhause wurden die Reste vom Mittagessen immer in kleine Schüsselchen aus Glas, Porzellan oder Steingut umgefüllt und auf der Küchenanrichte aufbewahrt. Zum einen gab es selten nennenswerte Reste zum anderen konnte man fest damit rechnen, dass irgendwann am Nachmittag jemand weiteressen würde. Eigene Rezepte zur Resteverwertung gab es insofern keine, auch wenn mein Vater uns Kindern immer vorschwärmte, wie gut die Armen Ritter seiner eigenen Kindheit geschmeckt hätten. Die gab’s aber nie – vielleicht, weil selbstgebackenes Weißbrot aus dem Blumentopf für diese Zubereitungsart nur bedingt geeignet ist.

In meiner Austauschfamilie in den USA hingegen wurde meistens mehr gekocht als gegessen wurde. Auf eine mir unerklärliche Art und Weise blieben die Reste dabei mindestens doppelt so lange frisch wie im Alten Europa. Zuviel gekocht wurde nicht etwa, weil man ganz dem amerikanischen Klischee entsprechend kein Maß gekannt hätte, sondern weil man aus den in Plastikdosen im Kühlschrank aufbewahrten „leftovers“ unkompliziert eine schnelle Mahlzeit basteln konnte, wenn’s mal pressierte.

Auf Niederländisch nennt man übriggebliebene Portionen übrigens „kliekjes“. Zumindest im Süden des Königreiches. Das ist ein sehr hübscher Ausdruck, der sich immer freitags auf der Angebotstafel der Kantine der Kunstakademie in Maastricht wiederfand, in der volksnahe Damen mit Namen wie Bea und Margot deftige Hausmannskost für hungrige Studenten herstellten. Nachdem ich – das Wort findet sich nämlich nicht in den geläufigen Handwörterbüchern – einmal verstanden hatte, um was es sich handelte, wurde ich ein großer Fan vom „kliekjesmenu“. Da waren die Portionen nämlich immer etwas größer an den restlichen Tagen. Es sollte ja nichts umkommen. Vorab aber erklärten Margot oder Bea mir ausdauernd auf Maastrichter Dialekt, was ich alles bekommen würde. Davon habe ich das meiste bis heute nicht verstanden.

miniportion 293: zimtwaffeln

Zimtwaffeln althergebrachter Art, Mützenich 2013

Zimtwaffeln althergebrachter Art, Mützenich 2013

In den Rezeptbeständen meiner Mutter befindet sich eine handgeschriebene Karte aus dem Jahr 1972, auf der eine Schulfreundin meiner Mutter ihr, neben diversen Begebenheiten aus dem Alltag ihrer kinderreichen Familie, das Rezept von Zimtwaffeln notierte. Der Karte vorausgegangen war wohl ein Päckchen mit fertiggebackenen Zimtwaffeln. Man habe aber, so die Freundin, eine alte Tante zu Besuch gehabt und sei nicht früher dazu gekommen, die gewünschte Anleitung zu verschicken. Das Rezept an sich ist eher unspektakulär – Eier, Butter und Zucker werden schaumig geschlagen, mit Mehl, Backpulver und Zimt zu einem Teig verknetet, zu Kugeln gerollt und mit einem entsprechenden Waffeleisen zu sehr dünnen, knusprigen Waffeln gebacken. Interessanter ist da der mir unbekannte Kurzname, mit dem sie die Empfängerin des Briefes adressiert oder der Hinweis, dass sie beim Backen zählen solle, um ein gleichmäßiges Gelingen des Gebäcks zu garantieren. Genau diese Waffeln, so erzählt mir meine Mutter, hätten sie im Mädchenalter in der Adventszeit zusammen gebacken. Eine Erinnerung die damals, kurz vor dem ersten eigenen Kind, schon der Vergangenheit angehörte. Auch wenn im Haushalt mit einem unelektrischen Eisen für den Herd und einem etwas moderneren Apparat gleich zwei zimtwaffelgeeignete Geräte vorhanden waren, kann ich mich nicht an Zimtwaffeln erinnern. Sie gehören damit zu den Rezepten, über die gerne gesprochen wurde, die aber weniger gerne in die Tat umgesetzt wurden.

41 Jahre nach Eingang der Postkarte zeigt meine Mutter mir plötzlich ein neues Waffeleisen, das sie für wenig Geld in der Non-Food-Abteilung bei Aldi gekauft hat. Kein spezielles für Zimtwaffeln, sondern eins für Eishörnchen, aber trotzdem geeignet. Zusammen backen wir hauchdünne, knusprige Zimtwaffeln, die, so bestätigt sie mir, genau so seien, wie die von früher. Jetzt ist es an mir, wieder 20 Jahre warten.

miniportion 200: markklößchen

Markklößchenverpackung, Mützenich 2005

Markklößchenverpackung, Mützenich 2005

Meine Großmutter väterlicherseits war eine gute Köchin. Zumindest habe ich das so im Kopf, auch wenn ich mich kaum noch an Einzelheiten erinnern kann. Neben einer Fotografie ihres Esstischs mit einer Porzellanplatte voll Schweinefilet und Pilzen, sind mir vor allem vom Bäcker mitgebrachte Reisfladen, Butterbrote mit rohem Schinken und gelegentliche, selbst gemachte Fritten im Gedächtnis geblieben. Abgesehen von einer Kopie des Weincremerezeptes und eine der Zutaten für die Truthahnfüllung gibt es jedoch kaum Rezepte oder gar Kochbücher, die vor oder nach ihrem Tod aus ihrem in meinen Besitz übergegangen wären. Mit einer Ausnahme kann ich mich auch nicht erinnern, jemals eingehend mit ihr über Kochen und Essen gesprochen zu haben. An diesen einen Moment in ihrer Küche erinnere ich mich aber deshalb sehr genau, weil er irgendwie einen besonderen Moment in der Beziehung zwischen Enkel und Großmutter darstellte. Ich hatte ein chinesisches Notizbuch mit grünem Einband geschenkt bekommen, das es zu füllen galt. Ich klebte Kopien aus Romanen ein und notierte die Anzahl der von mir beobachteten Vögel. Und weil ich gerade begann, mich über den Konsum hinaus für Nahrungsmittel und deren Zubereitung zu interessieren, fragte ich sie nach dem Rezept ihrer Markklößchen. Warum gerade deren Zubereitung mich interessierte, lässt sich viele Jahre später nur erahnen. Vielleicht weil sie zu den wenigen Dingen gehörten, die meine Mutter hinsichtlich ihrer Schwiegermutter gelegentlich lobend erwähnte, vielleicht aber auch weil es selbstgemachte Markklößchen in meiner Erfahrungswelt nur bei ihr gab. Zuhause kamen ausschließlich eingeschweißte Markklößchen in der Hühner- und in der Gemüsesuppe zum Einsatz, auf den sie im obersten Fach in der Kühlschranktüre warteten. Natürlich aß ich hungriges Kind die Klößchen gelegentlich auch ohne Suppe, wobei sich die gekaufte Version als ziemlich hart und vor allem trocken erwies.