ethnografische notizen 288: frankreich 2021 (8/14)

Austern vom Markt in Lannion (09/2021)

Als wir in den Ort hineinfahren, sehen wir den Markt. Wir sind in Lannion, weil der dortige Supermarkt laut Google auch sonntags geöffnet hat. Es ist Ebbe und wir parken am Ufer des Flusses Léguer, der um diese Uhrzeit fast komplett leergelaufen ist. „Lass uns erst mal hier gucken“, sage ich. Ein gutes Dutzend Marktstände mit Obst und Gemüse, ein bisschen Fleisch und Wurst, sowie appetitlich duftenden Hähnchen vom Grill.

Weiterlesen

ethnografische notizen 238: france 2017/11

Markthalle Quimperlé | Super U Rennes, Juni 2017

Markthalle Quimperlé | Super U Rennes, Juni 2017

Markt in Carnac Downtown – T-Shirts mit Ananas, Putzmaterial auf Teleskopstangen und geflochtene Einkaufskörbe. Auch der Olivenstand ist gut besucht. Ein älterer Herr aus den Niederlanden geht mit einem Zahnstocher in der Hand das gute Dutzend Schüsseln mit diversen Olivenschüsseln ab und probiert sich durch das Assortiment. Seine Frau kauft derweil ein. Eine Plastikschale mit Kalamata, Mexicaine und zum Schluß noch einen großen Löffel mit Tapenade. „20 Euro und 20 Cent“, sagt der Händler, der suchaufgrund einer Behinderung geübt aber etwas seltsam hinter seinem Stand hin und her bewegt. Die Frau zögert einen Moment und reicht ihm einen 50-Euro Schein. Der junge Brite neben uns beschränkt sich dann doch lieber auf eine Sorte. Ich kaufe Mix Apero, mit 1,99 Euro pro 100 Gramm die billigste Sorte. Satte, würzige Oliven in drei Farbabstufungen. „Ich habe zu danken“, sagt der Olivenhändler und humpelt zum nächsten Kunden. Am Käsestand zahlen wir elf Euro für ein unglaublich leckeres Stück Secret Bichonne und einen Selles sur Cher. „Eine Rosette de Lyon kostet sechs, zwei gibt’s für zehn“, sagt der freundliche junge Mann am Wurststand. „Ordentlich“, sagt P., „gut 20 Euro für ein Picknick.“

In fast jeder Stadt in Frankreich gibt es eine Markthalle, in den größeren häufig sogar mehrere. Immer häufiger jedoch sind die gar nicht mehr oder nur noch teilweise in Gebrauch. Das liegt – wie bei uns – sicherlich auch an einer Verschiebung des Einkaufsverhaltens in die Randzonen der Städte, in die riesigen Supermärkte in den Industriegebieten. Mit dem Unterschied allerdings, dass das Angebot an Milch- und Fleischprodukten, Fisch und Gemüse in einer Qualität angeboten wird, die in Deutschland niemals in einem Supermarkt zu finden wäre. Aber das ist einen eigenen Text wert. Während die Markthallen also zunehmend verwaisen, weil man doch lieber mit dem Renault Grand Scénic bequem auf einen kostenlosen Parkplatz fährt, bleiben die Wochenmärkte außerhalb der Hallen. Zumindest dort, wo es ausreichend Touristen gibt

miniportion 312: matjes

Heringhappen auf dem Markt, Leiden 2004

Heringhappen auf dem Markt, Leiden 2004

Wenn man klein ist, dann ist auch die Welt noch eher klein und lange Zeit war das Holland das am weitesten entfernte Land, das ich mir vorstellen konnte. Als Kind war mir dabei der Unterschied zwischen nationalstaatlichen Grenzen und denen von Bundesländern nicht immer klar und gelegentlich bestand ich deshalb im Auto darauf, auch an der Grenze zu Rheinland-Pfalz „Nun ade, du mein lieb Heimatland“ zu singen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Grenze zu den Niederlanden war mir natürlich schon deshalb geläufig, weil wir sie zum kostengünstigen Einkauf von Gemüse, Benzin und Fisch häufig überquerten. Trotzdem brachte ich den hinter Aachen gelegenen Grenzort Vaals anfänglich gerne mit dem britischen Wales durcheinander. Aber auch das legte sich im Laufe der Zeit. Dennoch blieb der ein paar Meter jenseits von Deutschland stattfindende Wochenmarkt sehr exotisch für mich, weil das Konzept „Wochenmarkt“ als solches in meiner dörflichen Heimat gänzlich unbekannt war. Hier wurden nicht nur Obst und Gemüse in unvorstellbaren Mengen verkauft, hier machte der wie Rudi Carell klingende Käsehändler beim Abwiegen von „altem Holländer“ jedes Mal den selben Witz und vor allem konnte man hier neben Backfisch auch Matjes-Heringe kaufen. Tote Fische, die nicht als Filet kamen und auch noch ihren Schwanz besaßen, waren mir eigentlich eher suspekt. Aber die Tatsache, dass man sie am selbigen packt, über den Kopf hebt und stückchenweise abbeißt, überstieg alles je Gesehene. Aber um ganz ehrlich zu sein, habe ich das auch nie gesehen und verlasse mich hier vollständig auf die Schilderungen meiner Mutter, die ja mit ihren Nachbarinnen zu ganzen anderen Zeiten auf dem Markt verkehrte.

Heute allerdings vermute ich, dass diese Verzehrmethode, wie der Akzent von Rudi Carell, die Tulpen im Keukenhof zu Lisse oder die Figur von Frau Antje, schlicht von cleveren Werbestrategen für den deutschen Markt erfunden wurde.