ethnografische notizen 289: frankreich 2021 (9/14)

Wilde Blaubeeren, Vogesen 09/2021

In der Bretagne finden wir ein paar saure Brombeeren und massenhaft Schlehen in den Hügeln oberhalb der Küstenlinie. Außerdem ein paar Bäume mit wilden Äpfeln. Ein paar besonders schöne Exemplare davon lesen wir auf und nehmen sie mit nach Hause. Unterschiedliche Sorten, von fahlgelb über hellgrün bis dunkelrot.

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miniportion 194: mirabelle

Mirabellen in der Markthalle, Nancy 2013

Mirabellen in der Markthalle, Nancy 2013

Zu Berliner Zeiten kaufte ich gelegentlich einen Plastikbeutel mit Mirabellen bei einer alten Frau, die auf dem Hermannplatz in Neukölln auf einem Mäuerchen saß und ihre vermutlich aus einem Schrebergarten stammende Ware anbot. Die Früchte waren, um ehrlich zu sein, nicht besonders aromatisch. Aber auch mit diesem Kleinobst, dessen Namen ich schon als Kind sehr vielversprechend fand, führe ich eine liebevolle Beziehung. Bei Wikipedia findet sich folgende Beschreibung: „Das Fruchtfleisch ist sehr süß und löst sich leicht vom Steinkern.“ Bei einer ausgeprägten Abneigung gegen sowohl saure Früchte und hartnäckige Kerne ideale Voraussetzungen für ein dauerhaftes Verhältnis.

Beim Netto gibt es gegenwärtig eine Limonadensorte der Geschmacksrichtung Apfelblüte-Mirabelle. Die tatsächliche Produktbezeichnung lautet allerdings Wellness-Erfrischungsgetränk mit einer Zuckersorte und Süßungsmitteln. Mal abgesehen davon, dass ich nicht weiß, wie und ob Apfelblüten schmecken, hätte ich bei einer Blindverkostung vermutlich auf Aprikose getippt. Aber so ist das nun mal mit Geschmacksrichtungen, bei denen nicht nur tatsächliche Aromen, sondern auch die Bilder und Assoziationen in unseren Köpfen eine Rolle spielen.

Die Nachbarn meiner saarländischen Großmutter besaßen neben zwei Frettchen auch einen üppig tragenden Mirabellenbaum. In dieser Gegend kein Wunder, weil klimatisch begünstigt und in unmittelbarer Nachbarschaft zu Lothringen befindlich, wo die Mirabelle so etwas wie ein Regionalheiligtum ist. „Elle est à la Lorraine ce que l’olive est à la Provence“, heißt es in Saveurs – Le Magazine de l’Art de Vivre Gourmand (2011). Immerhin 70 Prozent der weltweiten Produktion stammen aus dieser Region. In Metz und Nancy zum Beispiel bekommt man sie frisch und getrocknet, als Konfitüre und Schnaps, in Bonbonform und sogar als Macaron-Füllung. Essen ist und bleibt eben die schönste Form der Folklore.