miniportion 248: hackfleisch

Hackfleisch – die eine Hälfte, Battice 2004

Hackfleisch – die eine Hälfte, Battice 2004

Hackfleisch führte zuhause gelegentlich zu Verstimmungen, allerdings weniger zu solchen gesundheitlicher Art, als vielmehr zu Dissonanzen in der Beziehung meiner Eltern. Nämlich immer dann, wenn nach dem Konsum einer Lasagne mein Vater bemerkte, dass das vergleichbar zubereitete Pastagericht seiner Mutter (also meiner Oma) irgendwie anders schmecken würde, als das meiner Mutter (also seiner Frau). Meine Mutter erklärte ihm dann, mehr oder weniger gelassen, dass das daran liege, dass seine Mutter nicht wie sie, reines Rindfleisch, sondern Schweinefleisch oder schlimmer noch „halb und halb“ verwenden würde. Damit war die Diskussion beendet und die Stimmung im Eimer. Ganz objektiv betrachtet hatten natürlich beide recht. Mein Vater weil die Lasagne wirklich anders schmeckte, meine Mutter, weil sie diese geschmackliche Differenz korrekt verorten konnte. Unmöglich waren aber auch irgendwie beide – mein Vater, weil man seine eigene Ehefrau nicht mit den Vorzügen ihrer Schwiegermutter unter Druck setzt, und meine Mutter, weil sie sich mit ihrer rational nicht nachvollziehbaren, aber um so radikaleren Ablehnung von Fleisch mit der Herkunftsbezeichnung „Schwein“ im Namen selbst im Weg stand. Salami, Lyoner und Bratwurst waren kein Problem, Schweineschnitzel, -kotelett oder -braten hingegen in unserem Haushalt undenkbar.

Damals kaufte man aber auch Hackfleisch noch beim Metzger, wo es nicht etwa abgepackt in Plastikschalen auf die Kundinnen wartete, sondern mit Petersilienbüscheln verziert in Edelstahlwannen. In einer das kräftig rote Rinderhack, in einer anderen das etwas bleichere Hackfleisch vom Schwein. Wenn man, was ich gelegentlich beim Einkauf anderer beobachten konnte, „halb und halb“ verlangte, griff die Fachverkäuferin mit einer Art kleinem Beil in beide Behälter und fügte ungefähr gleichgroße Klumpen erst auf dem Einwickelpapier zusammen. Die mussten dann auch irgendwie miteinander auskommen.

miniportion 202: auflauf

Spinatlasagne – Mäuseportion, Köln 2013

Spinatlasagne – Mäuseportion, Köln 2013

Das Gericht, das mein Mann bei meinem ersten Besuch in seiner Wohnung für mich kochte, war ein Kartoffelgratin, das durchaus noch eine ganze Weile im Ofen hätte bleiben können. Aber nie wieder haben mir rohe Kartoffeln so gut geschmeckt wie damals. Und auch in der Folgezeit blieben Gratins und Aufläufe eine wichtige Rolle in unserer auch kulinarisch frischen Beziehung spielen. Da gab es nämlich ein kleines Restaurant am Rande der Innenstadt, das wir gelegentlich mit seinen Eltern oder Freunden besuchten. Das Lokal hieß Auflauf und servierte selbige zu moderaten Preisen in ovalen Keramikschüsseln auf Holzbrettern. Neben Nudeln gab es aber auch so ausgefallene Dinge wie Grünkern oder Bulgur, die man jeweils in einer Mäuseportion oder in einer solchen für den Bärenhunger bestellen konnte. Weniger ausgefallen hingegen war die Einrichtung des Ladens, die man offensichtlich vom Vorbesitzer (ich würde auf einen Griechen tippen) übernommen hatte und die im Wesentlichen aus zur Unkenntlichkeit verblichenen verblichenen Kunstdrucken und diversen mitgenommenen Topfpflanzen bestand.

Mal von der obligatorischen Lasagne bei größeren Familienfeiern abgesehen, gab es zuhause einen Auflauf eher häufig und einen anderen aus völlig unbekannten Gründen nur ein einziges Mal. Bei dem regelmäßig servierten Gericht handelte es sich um „Frau Antjes Kartoffelauflauf“, der neben den namensgebenden Knollen aus rotem Paprika, Zwiebeln, Tomaten und großen Mengen Käse bestand. Der Solitär hingegen war eine Art Apple-Pie im Topf nach dem Rezept einer ehemaligen Arbeitskollegin und Freundin meiner Mutter. Und obwohl die Süßspeise unkompliziert in der Anfertigung war, schon beim ersten Mal bei allen Essern großen Anklang fand und ihre Wiederholung in regelmäßigen Abständen eingefordert wurde, schaffte es „Omas Apfelauflauf“ nur ein einziges Mal auf unseren Tisch. Vermutlich der Grund, warum sich heute noch alle an den Geschmack erinnern können.

miniportion 025: pferdewurst

Würstelbude auf dem Erntedankfest der Domäne Dahlem, Berlin 2008

Würstelbude auf dem Erntedankfest der Domäne Dahlem, Berlin 2008

Püppi, die zehnjährige Tochter unserer Freunde, ist eine große Pferdeliebhaberin. Manchmal, wenn sie mich ärgern will, redet sie eine Stunde ausschließlich darüber, wie süß doch jenes Doppelpony, wie schnell jener Hannoveraner oder wie elegant jene Rosinante sei. Will ich sie zurück ärgern, sage ich, dass ich Pferde vor allem lecker finde. Pferdewurst! Das darf ich aber nicht übertreiben, denn auch wenn sich Püppis Empathie mit den Rindern auf derselben Weide deutlich in Grenzen hält – Pferdewurst ist und bleibt ein sensibles Thema. Damit ist Püppi nicht alleine, denn bei der gegenwärtigen Diskussion um den geheimen Pferdefleischanteil von Tiefkühllasagne geht es weitaus weniger um gesundheitliche Aspekte, sondern schlicht um die Tatsache, dass Pferde ja dann doch irgendwie süß, kuschelig und manchmal ja auch verzauberte Einhörner sind. Dabei gehörte Pferdefleisch auch bei uns einmal zu unserem kulinarischen Alltag, wie man an den hier und da an den Hauswänden erhalten gebliebenen Pferdeköpfen erkennen kann. Und ungesund ist es auch nicht, da kämen im Falle von Tiefkühllasagne ganz andere Inhaltsstoffe in Frage.

Mein erstes Pferd aß ich aus reiner Neugierde. Es galoppierte in Form von vorverpacktem Aufschnitt in einem niederländischen Supermarkt in meinen Einkaufswagen. Der Verzehr verlief trotz des wenig aufregenden Geschmacks mit gemischten Gefühlen und ich erinnere mich, dass ich froh war, die letzte Scheibe hinter mich gebracht zu haben. Dann, ein paar Jahre später auf einem Wochenendtrip im belgischen Tournai, nahm ich all meinen Mut zusammen und bestellte gleich ein ganzes Hauptgericht aus Pferd. Danach, das mag am saftigen Braten oder an den dazugehörigen perfekten Fritten gelegen haben, war das Eis gebrochen. Seitdem esse ich eigentlich genau so selten Pferd wie vorhin, aber meine Drohungen gegenüber frechen Mädchen sind glaubhafter geworden – allein schon deshalb, weil es mir tatsächlich schmecken würde.