miniportion 178: hot dog

Professionelles Hot Dog-Geschirr auf dem Flohmarkt, Amsterdam 2006

Professionelles Hot Dog-Geschirr auf dem Flohmarkt, Amsterdam 2006

Bei Hot Dogs denke ich auch an Ikea, aber noch viel mehr an amerikanische Einfamiliehäuser in gepflegter Wohnlage. Ich denke an den Geruch von frisch gemähtem Rasen, an weit geöffnete Fenster und das Zischen von Möbelpolitur aus der Sprühflasche. Keine auf der Hand liegende Assoziationskette mag man jetzt denken, aber für mich a most valuable memory. Denn in meiner amerikanischen Gastfamilie gehörte sowohl der Hausputz als auch das dezente „ping“ der Mikrowelle, welches die gemeinsame Hotdog-Pause einleitete, zu den festen Samstagsritualen. Die Würstchen kamen dabei ganz klassisch von Oscar Mayer und waren so fest ins Plastik geschweißt, dass sie erst in der Mikrowelle ihre Kanten wieder verloren.

Auch in der Familie meines Mannes haben Hot Dogs eine gewisse Tradition. Allerdings eher im Urlaub, der in seinen Jugendjahren vielfach in Dänemark verbracht wurde. Da hatte ich, bei aller Affinität zu Wurst und Würsten, bei unserem ersten gemeinsamen Aufenthalt im Norden eine Menge nachzuholen. Mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie nachmittags jemand zum Bäcker fuhr, um Wienerbrød und anderes Plundergebäck zu kaufen, wurden nämlich bei jedem Ausflug in die Fußgängerzone ziemlich grelle røde pølser verzehrt.

Nach der Veröffentlichung einer, wenn auch kleinen, Monografie über Wurstkultur in Europa dachte ich eigentlich, dass mich auf diesem Gebiet nun nichts mehr überraschen könnte. Bis ich vor einiger Zeit bei einer Kreativbesprechung eine Hot Dog-Pizza vorgesetzt bekam. Ein knuspriger Hefeteig, belegt mit feinen Wurst- und Gurkenscheiben, abgerundet mit Mayonnaise und Röstzwiebeln. Er habe das mal selbst ausprobieren wollen, erläuterte Freund M., man bestelle sich hin und wieder beim Pizzaservice ein ähnliches Produkt. Recht hat er, dachte ich, denn warum sollte Fusion Food eigentlich immer nur asiatische Vorlagen aufgreifen? Es lebe die italienisch-amerikanisch-dänische Freundschaft!

miniportion 077: röstzwiebeln

Röstzwiebeln zwischen Dänemark und Schweden, 2005

Röstzwiebeln zwischen Dänemark und Schweden, 2005

Die im deutschen Handel erhältlichen Röstzwiebeln stammen oftmals aus Skandinavien. Aus Dänemark, um genau zu sein, wo sie gerne auf der Straße mit süßlichen Gurken, Senf und Ketchup auf røde pølser in Form eines Hotdogs verzehrt werden. Das ist nicht zu verachten, obwohl mir persönlich frische Zwiebelchen auf einer ordentlichen Portion Fritten spezial lieber sind.

Wieso ausgerechnet Dänemark unser Hauptexportpartner in dieser Hinsicht ist, ist nicht ganz deutlich. Vielleicht eignen sich Grundmoränen- und Geschiebemergel besonders gut für den Anbau von Zwiebeln. Auf S. 539 von Richard Herings Lexikon der Küche (1929) findet sich folgende kurze Beschreibung von „Zwiebeln, jütländischer Art“ (also ein Rezept aus einem nicht ganz unerheblichen Teil des Inselstaates stammend): „Gekocht, erkaltet, ausgehöhlt, gefüllt mitgekochtem, in Gänsefett gedünstetem Grünkohl; mit Gänsefett belegt, in der Röhre gebacken.“

Das ist nicht ganz unaufwändig, obwohl Zwiebeln ja eigentlich eher etwas vage volksnahes, einfaches haben. Mit Zwiebeln verbinde ich persönlich seltsamerweise sehr konkret Erinnerungen an Personen und Situationen. Zum Beispiel die an Herrn B., der mit seiner Schwester in einem alten Fachwerkbauernhof mitten im Ort wohnte und als Eisenwarenverkäufer in einem unweit gelegenen Fachgeschäft arbeitete und meiner Mutter einst Ewig Zwiebel schenkte. Oder ich muss an den Zwiebelkuchen eines entfernten Bekannten denken, nach dessen Genuss ich einst vorübergehend glaubte, zu erblinden, aber das ist eine andere Geschichte. Meine Freundinnen N. und V., zwei Schwestern aus Köln, erzählen mir übrigens seit Jahren von einem Familienrezept für geschmortes Kaninchen mit Perlzwiebeln. Die schönsten Erinnerungen liegen in der Zukunft und  Zwiebeln spanischer Art werden übrigens, sehr viel weniger aufwändig als ihre jütländischen Verwandten – in Milch gekocht und in Butter gedünstet.