miniportion 318: vorsuppe

Vorsuppenteller zu 12 Euro, Aachen 2013

Vorsuppenteller zu 12 Euro, Aachen 2013

Neulich unterhielt ich mich mit einer entfernte Tante über eine hübsche, alte Suppenterrine mit elaborierten Griffen und einem goldverzierten Deckel. Innendrin, so ergab ein schneller Blick, wurden Nähutensilien und diverser Krimskrams aufbewahrt. „So eine habe ich auch noch“, sagte die Tante, „braucht aber eigentlich heutzutage kein Mensch mehr. Aber damals war das so. Da gab’s sonntags ja auch immer noch eine Vorsuppe.“ Da hat sie recht – mit beidem, sowohl mit der Feststellung, dass es früher immer eine Vorsuppe gab, als auch mit der Tatsache, dass heute niemand mehr eine Suppenterrine braucht. Es sei denn um eben Handarbeitszeug, Kekse oder Weihnachtsdeko darin aufzubewahren. Dabei ist die „Vorsuppe“ ein sehr schönes Wort, das den Dreiklang einer gutbürgerlichen deutschen Mahlzeit vor Augen führt: Zunächst gibt es etwas warmes Flüssiges (um eine Grundlage zu schaffen), dann etwas ordentlich Deftiges (um satt zu werden) und schlussendlich etwas kleines Süßes (weil man noch nicht aufhören kann).

Die strenge Speisenfolge am Mittagstisch der Großmutter meines Mannes wurde beispielsweise erst gelockert, als ihr das selbstständige Kochen zu viel wurde. Bis dahin begann jede Mahlzeit mit einer ordentlichen Kraftbrühe nebst einer Einlage aus Eierstich und kleingeschnittenem Rindfleisch. Eine Zeit lang wurde noch mit einer „fetten Brühe“ aus dem Würfel überbrückt und die Vorsuppe schließlich ganz abgeschafft. Dass ich, als ihr Nachfolger im Küchenregiment, kochen konnte, hat sie zwar nie bestritten, eine richtige Suppe wurde mir aber dann vermutlich doch nicht zugetraut.

Überhaupt sind die Suppen heutzutage aber ihrer vorbereitenden Funktion beraubt. Einmal kochten wir in einem exklusiven Kochkurs unter professioneller Anleitung ein Süppchen aus dem Saft von gelben Paprikas, welches anschließend in einer Espressotasse serviert wurde. Das habe ich beim nächsten Kochen mit der Oma wohlweislich für mich behalten.

miniportion 191: eierstich

Eierstich im Vorstadium, Teuven 2005

Eierstich im Vorstadium, Teuven 2005

Eierstich gehört mit Markklößchen und Backerbsen zwar zu den klassischen Suppeneinlagen, kam aber zuhause selten auf den Tisch, weil mein Vater kein Freund von Suppen als Vorspeisen war. Da findet jeder Eierstich sein Ende. Bei meiner Großmutter väterlicherseits jedoch, am ersten Weihnachtsfeiertag, gab es immer Suppe mit Eierstich. Nicht von der Oma, sondern von Tante H., der stets die Zubereitung der Hühnersuppe zugeteilt wurde. Zum einen, weil sie darin ein ziemliches Geschick an den Tag legte, zum anderen, weil ihre Eltern über eine kleine Hühnerfarm verfügten. Das eine mag das andere bedingt haben. Jedenfalls verband ich Eierstich lange Jahre mit besonders festlichen Anlässen, wie sie im Kapitel „Unser kleines Fest im März – Konfirmation oder Kommunion“ im Neuen Sanella-Kochbuch von 1959 beschrieben sind. Dort finden sich Rezepte für Champignon-Eier, Berliner Frikassee, Mokka-Igel und Roter Hahn (flambierte Grapefruit), aber auch für Bunten Eierstich (mit Spinat) in Hühnerbrühe. „Solche Feste erfordern von der Hausfrau allerlei Mühe und Arbeit“, heißt es im Text, „die sie sich für diesen Anlaß aber gerne macht. Unser kleiner Menüvorschlag ist übrigens bei guter Vorbereitung ohne weitere Hilfskraft zu verwirklichen.“

Für die Großmutter meines Mannes hingegen gehörte Eierstich zum Standardessen bei unseren samstäglichen Besuchen. Dicke Würfel gestockten Eis, in denen die Petersilie auf den Boden gesunken war, lagen mit kleingeschnittenen Fleischstücken schon bei Ankunft in gerecht verteilten Portionen in den Suppentassen und schwammen kurz darauf gemeinsam mit ausgekochten Möhren in selbstgekochter Suppe vom Rind oder Fetter Brühe vom Würfelchen. Wenn es vor dem Essen Suppe gab – also eigentlich fast immer – war übrigens das Trinken von Wasser oder Saft strikt verboten. Die Flüssigkeitsaufnahme hatte an diesen Tagen ausschließlich über Kraftbrühe und Kaffee zu erfolgen. Alles andere war eh viel zu kalt und schlecht für den Magen.