ethnografische notizen 288: frankreich 2021 (8/14)

Austern vom Markt in Lannion (09/2021)

Als wir in den Ort hineinfahren, sehen wir den Markt. Wir sind in Lannion, weil der dortige Supermarkt laut Google auch sonntags geöffnet hat. Es ist Ebbe und wir parken am Ufer des Flusses Léguer, der um diese Uhrzeit fast komplett leergelaufen ist. „Lass uns erst mal hier gucken“, sage ich. Ein gutes Dutzend Marktstände mit Obst und Gemüse, ein bisschen Fleisch und Wurst, sowie appetitlich duftenden Hähnchen vom Grill.

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miniportion 150: austern

Austernteller auf dem Flohmarkt, Polleur 2013

Austernteller auf dem Flohmarkt, Polleur 2013

Meine ersten Austern aß ich 1992 nicht in Frankreich, sondern ausgerechnet in Kalifornien. Mit 17, gerade im Austauschjahr angekommen, besuchte ich mit meiner neuen amerikanischen Familie Santa Catalina Island, eine hübsche vor Los Angeles gelegene Insel, die vor allem durch den Film „The Glass Bottom Boat“ (zu deutsch: Spion im Spitzenhöschen“) mit Doris Day in der Hauptrolle bekannt wurde. Kristallklares Wasser mit bunten Fischen, zum ersten Mal im Leben Palmen außerhalb des Gewächshauses und durchtrainierte Rettungsschwimmer. Die nachhaltigste Erfahrung jedoch machte ich jedoch nicht am Strand, sondern im Restaurant mit einem Teller frittierte Meeresfrüchte.

Ich will das Frittieren von Austern gar nicht grundsätzlich verurteilen – immerhin findet sich auch in „L’Art Culinaire Moderne“, mit 724 Seiten dem umfangreichsten französischen Kochbuch in meiner Sammlung, ein Rezept für Huîtres frites. Allerdings werden die gekochten und panierten Austern hier immerhin in Butter ausgebacken – „Les frire au beurre au dernier moment et les servir dans de très petit coquilles Saint-Jacques avec une rondelle de citron en dessous et un petit bouquet de persil frit au milieu.“

Problematisch wurde es aber, weil ich nicht so genau wusste, was mich erwartete. Vermutlich hatten meine Gasteltern mein Essen bestellt – zumindest kann ich mich nicht mehr erinnern, mich für Austern entschieden zu haben – und vermutlich war ich einfach zu sehr mit dem Ausblick auf den Sonnenuntergang oder die Rettungsschwimmer beschäftigt. In jedem Fall bis ich zwischen Pommes frites, diversen frittierten Shrimps und Fischhappen plötzlich auf etwas sehr weiches, undefinierbares, was sich im Hals ein wenig anfühlte wie auf dem Höhepunkt einer schlimmen Bronchitis. Erst gute 20 Jahre später, in Saint-Vaast-la-Hogue, wagte ich einen neuen Versuch. Diesmal, wie in der Normandie üblich mit Apfelessig und Schalotten. Sehenden Auges.