Um Reibekuchen geht es nicht nur in „Rievkooche Walzer“, einem der ersten Hits der Kölner Stimmungsband Bläck Fööss aus dem Jahre 1970, sondern auch in vielen Geschichten, die vom Essen und Trinken in Deutschland nach dem Krieg handeln. Ältere Menschen verbinden hierzulande den Konsum von Reibekuchen offensichtlich häufig mit heimeligen Erinnerungen in Gesellschaft der Kernfamilie. Reibekuchen, die anderswo Kartoffelpuffer oder -plätzchen heißen, in Franken Baggers, in Bayern Reiberdatschi, Klitscher im Erzgebirge und Grumbeerküchle in Rheinland-Pfalz, sind so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner in der Produktpalette des Soulfood. Sie verkörpern Werte wie Ehrlichkeit, Bescheidenheit und Genügsamkeit. Für Reibekuchen braucht man nicht viel – im Wesentlichen geriebene Kartoffeln, Ei, Mehl, Fett und Hitze – und dennoch kommt je nach Koch oder Köchin immer etwas anderes raus.
Auch ich verbinde Erinnerungen mit dem Verzehr von Reibekuchen – weder besonders heimelige noch irgendwie dramatische. Eher normal. Bei uns gab es Reibekuchen nämlich immer als Fertigprodukt und immer dann, wenn es abends noch einmal etwas warmes zu essen gab. Das war an und für sich schon eine Ausnahme, denn die einzig wahre Hauptmahlzeit fand ja am Mittag statt. Einer von uns Kindern musste dann in den Keller an den Gefrierschank gehen, denn unsere Reibekuchen wurden ja fertig gekauft, tiefgefroren entnommen und in der Pfanne gebraten. Dazu gab es traditionell Apfelmus. Kartoffeln und Äpfel waren aber eine Kombination, die ich nicht besonders schätzte, vermutlich, weil mein Schwester sie bevorzugte. Ich hingegen aß meine Reibekuchen lieber mit Curry-Gewürzketchup aus einer roten Plastikflasche, von der man mit etwas Ausdauer die weiße Beschriftung rubbeln konnte. Der Inhalt schmeckte zwar etwas seifig, aber immerhin konnte ich mich schon farblich vom Rest der Familie absetzen. Esskultur hat ja auch immer etwas mit Identitätsfindung zu tun.