In insgesamt 22 Interviews haben Gastronom*innen, Köch*innen, ein Konditor, ein Bartender, ein Kochschulinhaber, eine Hoteldirektorin und ein Gastrojournalist erzählt, wie es ihnen während der Schließungen ging. In Phase 2 stelle ich wiederum drei Fragen zur aktuellen Lage.
Interview mit Johannes Langenstück und Felix Schmid, La Fonda
Im März haben die beiden jungen Köche die Küchenleitung des Restaurants La Fonda von Daniel Reinhardt (Küchendirektor seit der Eröffnung 2018) übernommen. Im gemeinsamen Interview erklären sie, wie die Pandemie auch nach Wiedereröffnung den gastronomischen Alltag bestimmt.
Wie war die Wiedereröffnung?
Johannes Langenstück: Spannend, weil wir uns in einer Situation befinden, die noch keiner von uns jemals mitgemacht hat. Schließung und Wiedereröffnung, das ist eine Zeit mit vielen ungewissen Parametern – von der Auslastung des Restaurants bis hin zur Beschaffung der Ware. Das kann man ruhig auch mal erwähnen: Die Zulieferer sind auch ganz schön gebeutelt von der Krise und es gibt auch nicht immer alles zu bestellen.
Gegen Ende der Schließungen hatten wir ja das Take-away, deshalb lief der Betrieb schon langsam, als wir wieder angefangen haben, regulär zu produzieren. Die Kühlhäuser waren schon wieder an und wir waren vor Ort. Das war gut für uns, man kann ja nicht direkt vom einen auf den anderen Tag anfangen. Es ist deutlich besser, einen Betrieb aus dem laufenden Take-away zu starten, als aus der kompletten Schließung.
Aber trotzdem war das erst einmal sehr spannend. Wir sind ja ein größeres Team mit 16 Angestellten, vom Azubi bis zur Spülkraft. Bei so einer Betriebsgröße muss man natürlich gucken, wie man das jetzt macht, in Zeiten von Corona. Wir haben deshalb erst einmal mit einem zwei Teams angefangen. Wir wollen vermeiden, dass jeden Tag 16 Leute da sind, die sich in den Umkleiden oder Personalräumen treffen. Die Krise ist ja nicht vorbei und die Krankheit ist ja nicht weg, nur weil wir wieder geöffnet haben. Wir befolgen alle Maßnahmen zum Gästeschutz zu 100 Prozent, aber wir müssen auch an das Team denken. Die Masken beispielsweise sind ja auch nicht nur da, um Gäste zu schützen, sondern auch das Team. Vor der Krise haben wir mit einem Morgen- und einem Abendteam gearbeitet. Das ist schon eine andere Struktur.
Felix Schmid: Wir haben uns vor der Wiedereröffnung oft mit der Geschäftsführung getroffen, haben uns Hygienekonzepte überlegt und besprochen, wie wir das alles umsetzen werden. Im Vorfeld wurden alle Räumlichkeiten, das Restaurant, die Küche, die Umkleiden, grundgereinigt und desinfiziert. Letzte Woche Dienstag ist es in der Küche dann wieder richtig gut losgegangen. Das hat richtig Spaß gemacht, zu Kochen, leckere Sachen rauszugeben, wieder mit dem Team zu arbeiten und zu erzählen, was man in den letzten Wochen so gemacht hat. Das war ein durchweg positiver Start, wir sind gut gelaunt, gut vorbereitet und hoffen jetzt auf eine gute Zukunft. Die erste Woche war gut, wir hatten eine ordentliche Auslastung und haben schönes Feedback von den Gästen bekommen. Die waren happy, dass wir wieder geöffnet hat und sie einen Platz haben, um gut essen zu gehen.
Was ist anders als vor der Krise?
FS: Die Abläufe sind deutlich angepasst. Wir haben beispielsweise eine Hygienestation direkt an der Rückgabe der Teller und die Spüler arbeiten mit Handschuhe und Mundschutz. Wir achten darauf, dass es für alle sicher ist. Aber auch für den Service ist es eine andere Arbeit. Das fängt an mit dem Brot, das jetzt einzeln verpackt und nicht mehr im Korb auf den Tisch kommt, über das Besteck bis hin zur Speisekarte. Die besteht jetzt nur noch aus einer Seite und ist laminiert, damit die jedes Mal desinfiziert werden kann. Nach jedem Besuch wird der Tisch komplett abgeräumt und alle Stühle werden gereinigt. Das sind die großen spürbaren Veränderungen.
JL: Wir haben aufgehört mit Winterkabeljau und starten jetzt mit Erdbeeren, Holunderblütensirup und Spargel. Als wir Mitte März zugemacht haben, war da noch nicht dran zu denken. Unsere Karte wechselt saisonal, deshalb können wir nicht mit dem gleichen Angebot wieder anfangen. Aber wir haben Glück gehabt. Es wäre schlimmer gewesen, wenn wir mit Gänsen hätten starten müssen. Dann hätte Corona die Branche zerlegt.
Wie wird die Zukunft aussehen?
JL: Ich glaube, da können wir als Küchenchefs nicht wirklich eine fachkompetente Prognose geben. Auf der einen Seite merken wir, dass viele, vor allem junge Leute einfach Lust haben, wieder rauszugehen. Andere trauen sich noch nicht. Das trifft sich etwa in der Mitte, ist aber restaurantabhängig. Wenn man sich die Aachener Straße anschaut, die platzt schon wieder aus allen Nähten. Es gibt aber auch Lokale, mit einem anderen Klientel, einer andere Altersgruppe, einer anderen Lage – die haben es schwerer. Das ist auch nachvollziehbar. Es gehört ja vieles zu einem schönen Restaurantbesuch und jetzt gibt man viel Geld aus, bekommt eine laminierte Karte und darf nur für eine bestimmte Zeit bleiben. Man weiß, die Kellner sind nett, aber das Lächeln kommt durch die Schutzmaske nicht durch. Am besten gibt es noch Einwegbesteck in einer Papierserviette, muss sich das Wasser selbst einschenken und um acht Uhr wieder weg sein, damit die nächsten Gäste kommen können. Bei uns ist das glücklicherweise nicht so, wir haben noch Stoffservietten und noch keine Slots, bei uns darf man länger bleiben. Eine Terrasse ist in diesem Jahr aber Trumpf, das kann man nicht anders sagen. Die Leute wollen raus und haben weniger Angst, wenn sie draußen sitzen. Da ist ein kleiner Biergarten oder eine Terrasse bei schönem Wetter ein großer Vorteil.
Eine langfristige Prognose will ich aber lieber nicht wagen. Die meisten Menschen lassen sich derzeit von den Vorgaben leiten, aber wenn jetzt die Bundesregierung sagt, die 1,50 Abstand und Maske bleiben noch, dann wird’s ein zäher Herbst. Sobald die Regelungen zurückgefahren werden, wird es aber schnell wieder losgehen, dann kommen die Gäste wieder. Aber erst einmal können wir da nichts dran ändern, die Gesundheit geht vor. Wir dürfen nicht zu viel riskieren. Niemand will, dass in zwei Monaten der nächste Lockdown kommt. Das ist wahrscheinlich die größte Angst unter den Gastronomen, dass es noch einmal Regulierungen geben könnte.
Spannend ist, was der Staat jetzt noch an konkreten Hilfen plant. Die Mehrwertsteuersenkung ist ein gutes Instrument, weil sie einfach umzusetzen ist. Auch wenn sie nur für Speisen gilt und nicht für Getränke, womit die meisten Restaurants 30 bis 40 Prozent des Umsatzes machen. Insofern ist die Entlastung der Gastronomie, von der man überall liest, nur die halbe Wahrheit.
FS: So richtig sichtbar wird das werden, wenn viele Mitarbeiter erst einmal mehrere Monate in Kurzarbeit waren und spürbar weniger Geld im Geldbeutel ist.
JL: Und was ist beispielsweise mit der Gamescom? Das ist eine der stärksten Messen für Köln, da sind normalerweise alle Restaurants voll. Oder das Weihnachtsgeschäft: Vom kleinen Italiener bis zum Nobelrestaurant kalkulieren doch viele damit, im Dezember geschlossene Gesellschaften zu haben. Wenn das jetzt auch noch auf der Kippe steht und die großen Firmen kein Geld mehr für Feiern haben, dann trägt sich das weiter.
FS: Das beschäftigt uns natürlich auch, weil Catering auch für uns wichtig ist. Wir machen ja größere Veranstaltungen, Firmenfeiern und Hochzeiten. Das ist erst einmal alles storniert worden. Für die Zukunft wünschen wir uns daher, dass das auch wieder weitergehen kann.
Interview vom 20.05.2020