ethnografische notizen 279: köln in zeiten von corona

In 20 Interviews haben Gastronom*innen, Köch*innen, ein Konditor, ein Bartender, ein Kochschulinhaber, eine Hoteldirektorin und ein Gastrojournalist erzählt, wie es ihnen während der Schließungen geht. Diese erste Phase ist seit vergangenem Montag nun vorbei. Bevor ich aber mit neuen Fragen an den Start gehe (denn vorbei ist das alles noch lange nicht), verlassen wir kurz die Domstadt und widmen unsere Aufmerksamkeit einem Restaurant auf dem Land.

Interview mit Daniel Lengsfeld, Gasthaus Scheiderhöhe, Lohmar

Daniel Lengsfeld, Gasthaus Scheiderhöhe, Lohmar (Foto: privat)

Nach diversen Stationen in Berlin, u.a. als Küchenchef bei Tim Raue im Hotel Adlon Kempinski und einem Gastspiel in der Kölner Innenstadt übernahm der 35-Jährige zu Beginn des Jahres mit seiner Partnerin Stephanie Schulze das Gasthaus Scheiderhöhe in Lohmar.

1. Wie war das, den Laden zuzumachen?

Für uns kam das schleichend. Wir hatten noch keine offizielle Information, dass wir zumachen mussten, aber ich hatte von den Kollegen in Köln mitbekommen, dass die Stadt die komplette Schließung verordnet hatte. Das war am 19.04. und uns war klar, dass uns das früher oder später auch betreffen würde. Zwei Tage nach der Stadt Köln hat dann der Rhein-Sieg-Kreis nachgezogen. Das war schon niederschlagend, gerade in unserer besonderen Situation – wir hatten ja erst sechs Wochen auf. Die Eröffnungsphase war sensationell gewesen, mit ganz wenigen Tagen, an denen wir nicht ausgebucht waren. Da fühlt man sich schon ausgebremst. Wir waren uns relativ schnell einig, dass wir in irgendeiner Form weitermachen und nicht schließen oder die Situation aussitzen wollten. Das hatte viele Gründe, zum einen, dass man logischerweise versucht, zumindest noch ein bisschen Umsatz reinzubekommen, auch wenn der natürlich nicht vergleichbar mit dem von regulären Öffnungstagen ist. Zum anderen wollten wir, generell und gerade in unserer Situation, in den Köpfen der Gäste bleiben, um nach sechs Wochen nicht Gefahr zu laufen, vergessen zu werden. Wir wollten nicht wieder komplett bei null anfangen, wenn der ganze Spuk vorbei ist. Deswegen haben wir das „at home“-Programm gestartet. Sachen zum Mitnehmen, nicht wie beim Pizzalieferanten oder beim Asia-Imbiss, sondern Sachen für den Hausgebrauch, für die Vorratskammer, für den Kühlschrank. Ich habe mir gedacht, wenn die Leute alle Toilettenpapier und Trockenpasta horten, irgendwas müssen die ja zu ihren Nudeln essen, irgendeine Soße. Da kommen wir ins Spiel und so hat sich das entwickelt. Das kam sehr gut an, am Osterwochenende hat das teilweise den Rahmen gesprengt. Danach ist die Nachfrage ein bisschen abgeflacht und hat sich dann aber wieder eingependelt. Ostern hatten wir um die 80 Bestellungen, jetzt sind es um die 60. Die Sachen sind alle vakuumiert und Pesto und Ragu halten sich ja ein bisschen länger – da kaufen die Leute auch fürs Wochenende ein.

Im Dorf erfahren wir Solidarität auf vielen Wegen. Erst einmal durch direktes Feedback, wenn die Gäste ihre Bestellungen abholen. In den sechs Wochen sind manche Gäste schon zu Stammgästen geworden. Ein älteres Ehepaar zum Beispiel wohnt zwei, drei Häuser entfernt, die waren vorher jeden Freitag zum Essen da und kommen jetzt jeden Freitag abholen. Das machen sie nicht, weil sie selbst nicht kochen können, sondern um uns zu unterstützen. Wir haben gerade in den ersten Wochen viele aufmunternde Emails und Anfragen für Gutscheine bekommen. Lokale Politiker, die hier privat des Öfteren essen waren, haben uns Hilfe bei den Anträgen zur Soforthilfe angeboten.  In einer Stadt ist es da manchmal schon anonymer als hier auf dem Dorf. Die Leute hier sind vielleicht auch ein bisschen stolz, dass so ein Paar wie wir uns hierher verirrt haben und was Ordentliches und Ehrliches machen. Das wollen sie gerne für den Ort erhalten.

2. Was macht ihr gerade?

Man hat natürlich mehr Freizeit, als man sich eigentlich wünscht. Wir holen jetzt das eine oder andere nach. Im Dezember habe ich den Pachtvertrag unterschrieben und dann haben wir relativ fix am ersten Februar aufgemacht. Wir lassen die ersten sechs Wochen mal Revue passieren und wollen, wenn es wieder losgeht, mit einem gestärkten Profil weitermachen. Es gibt da noch ein paar Renovierungsarbeiten und wir widmen uns der Terrasse. Die hätten wir zeitlich gar nicht geschafft, wenn wir durchgehend aufgehabt hätten, da hätten wir sicherlich eine Gartenbaufirma beauftragen müssen. Jetzt machen wir viel selbst und auch Mitarbeiter helfen. Ansonsten sind wir noch drei, vier Tage in der Woche mit „at home“ beschäftigt.

3. Was werdet ihr als erstes machen, wenn die Krise vorbei ist?

Das ist eine gute Frage. Ich hoffe, wir weihen einfach unsere Terrasse ein. Die ist traumhaft schön, nach hinten raus zum Wald, mit vielen Bäumen, die Schatten spenden. Ansonsten hoffe ich, dass wir relativ schnell wieder zum gastronomischen Alltag übergehen werden. Das wird aber vielleicht noch ein bisschen länger dauern, als wir uns alle denken.

Interview vom 04.05.2020