ethnografische notizen 278: köln in zeiten von corona

An dieser Stelle erzählen Kölner Gastronom*innen wie es ihnen gerade geht. Heute eine Stimme aus dem Event-Catering.

Interview mit Sebastian Zimmermann, DEINspeisesalon

Sebastian Zimmermann, DEINspeisesalon, Köln (Foto: DEINspeisesalon)

Der Koch ist gemeinsam mit Jutta Landkotsch Geschäftsführer des Cateringunternehmens mit Sitz in Ehrenfeld. Im Zuge der Krise haben beide eine gemeinnützige UG gegründet, um die neuen karitativen Projekte zu professionalisieren.

1. Wie war das, den Laden zuzumachen?

Wir sind da als Event-Caterer ziemlich früh reingerutscht. Weil wir ja eng mit dem Musikbusiness vernetzt sind, waren wir eigentlich schon in der ersten Märzwoche betroffen. Da waren wir in voller Vorbereitung für die Europatour von Santana. Die LKW waren geladen und Richtung Italien unterwegs, die erste Destination wäre Bologna gewesen. Da wurde uns irgendwann klar, dass etwas Bedrohliches aufzieht. Wir haben zu dem Zeitpunkt, also Anfang März, aber noch nicht realisiert, dass alle Aufträge in Gefahr sind. Wenn wir nicht nach Italien können, dann wird die Tour vielleicht in Polen oder in einem anderen Land losgehen, dachten wir. Dann wurde die Schweiz abgesagt und das ganze Kartenhaus ist in sich zusammengefallen. Die LKW kamen wieder zurück und uns wurde klar: Das wird nix mehr!

In der zweiten Märzwoche haben wir schon damit angefangen, den Betrieb herunterzufahren. Bis zum Ende des Monats waren dann 70 bis 80 Prozent aller Veranstaltungen storniert. Die Kunden haben im 15-Minutentakt angerufen und ihre Events abgesagt oder verschoben. Da haben wir alle Mitarbeiter zusammengerufen, haben zusammen gefrühstückt und über die Lage gesprochen. Jutta und ich haben erklärt, welche Maßnahmen jetzt eingeleitet werden. Dann ging alles rasend schnell. Die ganzen FC-Spiele wurden abgesagt – Mitte der Woche war aber noch die Ware für das Catering im Businessbereich im Stadion gekommen. Wir haben die gesamte Produktion runtergefahren und am Ende der Woche das Licht ausgeknipst. Mit Unterstützung von verschiedenen Projektleitern haben wir alles Nötige geregelt: Kurzarbeit für 30 Leute beantragt und mit allen Dienstleistern gesprochen, von der Müllabfuhr bis zum Strom. Wir haben den Laden in eine Art Dornröschenschlaf versetzt, um den größten Schaden abzuwenden. Es gab aber nie den Gedanken, ein Liefercatering zu machen, dafür sind wir zu sehr auf diese Eventgeschichte spezialisiert.

2. Was macht ihr gerade?

Anfang April hatten wir wieder die Kraft uns zu fragen: Was machen wir mit der Zeit? Jutta und ich haben überlegt, wer jetzt gerade Essen braucht, wen wir unterstützen können. Das war uns schon immer ein Anliegen, aber die Kapazitäten waren über die Jahre immer durch das Tagesgeschäft begrenzt.  Ich habe mit verschiedenen Institutionen gesprochen, beispielsweise mit Care for Cologne. Die verpflegen zwei Mal in der Woche die Obdachlosen am Hauptbahnhof und konnten dringend Unterstützung gebrauchen. Da wurde auf kontaktlose Übergabe umgestellt, das Essen konnte nicht mehr auf einem Teller ausgegeben werden und man brauchte Speisen, die in irgendeiner Form verpackt sind. Wir sind Anfang April eingestiegen und schmieren zwei Mal in der Woche Sandwiches für 200 Personen. Unsere Partner haben wir auch direkt ins Boot geholt – die Bäckerei Schneider stellt das Brot kostenlos zur Verfügung, der Aufschnitt kommt von Möllers. Ganz unproblematisch und unbürokratisch. Das ist ein schönes Gefühl, zu spüren, dass alle an einem Strang ziehen.

Dann sind wir auf die Aktion „Kochen für Helden“ aufmerksam geworden, initiiert von Max Strohe und Tim Mälzer. Da geht es um das Kochen für Leute in Funktionsberufen, die im Moment stark belastet sind. Wir haben Kontakt aufgenommen und sind jetzt ein Teil vom Team. Wir haben uns zunächst in der Nachbarschaft umgeschaut und beispielsweise mit dem Franziskus-Krankenhaus gesprochen. Da habe ich noch einmal gespürt, was für ein hoher Druck auf den Krankenhäusern und den Mitarbeitern lastet. Auch die Verpflegungssituation ist nicht gut, die Kantinen sind teilweise geschlossen, die Leute gehen nicht von den Stationen, um sich was zu essen zu holen, weil sie dann die Kleidung zu oft wechseln müssen. Für unseren „kulinarischen Applaus“ haben wir die ganze Ware verkocht, die wir noch vom FC im Froster hatten. In den letzten zwei Wochen haben wir knapp 2.000 Essen produziert und im Schraubglas an verschiedene Krankenhäuser geliefert.

Mit den beiden Projekten sind wir jetzt gut ausgelastet. Es ist schön, zu sehen, dass unser Team sofort zur Stelle war und sich ehrenamtlich engagiert. Die Küche läuft wieder, es gibt Musik und wir produzieren und fahren aus. Das ist eine Art Selbsttherapie, im Rahmen des Lockdowns, der schon ein bisschen traumatisch ist.

3. Was werdet ihr als erstes machen, wenn die Krise vorbei ist?

Das ist für uns noch weit weg. Wir gehen davon aus, dass wir unser normales Geschäft – wenn es das denn überhaupt in der Form wieder geben wird – frühestens zum Ende des Jahres, Anfang nächsten Jahres wieder aufnehmen können. Wir sind aber jetzt schon dabei, neue Konzepte zu entwickeln, wie das in Zukunft alles aussehen kann. Wie könnte eine Verpflegung in einem Backstagebereich von einem Konzert unter den neuen Bedingungen funktionieren? Wie könnte die Verpflegung im Businessbereich beim FC in Zukunft aussehen? Da denken wir tagtäglich drüber nach und werden mit neuen Konzepten und einem klaren Blick an den Start gehen.

 

Interview vom 27.04.2020