Und plötzlich liegt sie auf meinem Teller, die Leber, die der Metzger uns noch warm präsentierte. Zumindest ein Stück von ihr. Dünn geschnitten, in Bröseln vom Roggenbrot gewälzt und behutsam gebraten. Rote Zwiebeln, Rhabarber und Püree mit Senf. So steht es auf dem Tagesmenü im maiBeck, in dem ich zwei Tage nach der Schlachtung zum Essen verabredet bin.
Als ich meine Jacke aufhänge treffe ich auf Tobi und erzähle, noch immer ganz bewegt, von unserem Erlebnis in Wipperfürth. „Tja“, sagt er, „ich habe das früher in der Eifel oft genug gesehen. Da wurden die dann vorne am Traktor aufgehängt.“ Das klingt ein wenig nach „damals nach dem Krieg“, aber wir sprechen hier schließlich über die Eifel, wo bekanntlich das eine oder andere ein bisschen länger dauert, wer wüsste das besser als ich? Mit der Qualität des Fleisches und möglichen Experimenten bekomme ich dann aber doch noch seine Aufmerksamkeit. Mit dem für ihn typischen Glanz in den Augen erzählt er mir, dass er das Nierenfett ausgelassen habe und das Stücke vom Nierenzapfen nun darin reifen würden. Das Herz sei fertig gemacht, die Bäckchen gepökelt (mit zweien kann man in der Gastronomie in der Tat wenig anfangen) und die Niere sei ja auch noch da.
„Im Menü haben wir heute die Leber vom F1-Wagyu2, sagt Sascha, reicht uns die aufgeklappten Speisekarten und zeigt auf die Papierrolle neben der Theke. Ich nehme mir vor, zuhause noch einmal nachzulesen, was genau F1 eigentlich bedeutet. „Das kann Johannes sicher besser erzählen, die kennt der ja schon.“ „Leber“, sagt Herr K., meine 83-jährige Verabredung, nicht uninteressiert und ich sehe ihm an, dass er an eine dünne Scheibe Kalbsleber denkt, an Alfredo und an seine Frau. „Leber“, sagt er noch einmal. „Sie bekommen ein ganz dünnes Stück“, sagt Sascha, „so, wie sie das gerne mögen.“ „Die ist mir hier nämlich manchmal zu dick hier“, sagt Herr K. verschwörerisch.
Am Tisch hinter uns bespricht Jan mit einem älteren Ehepaar das Menü für eine Feierlichkeit. „Männer essen ja nicht gerne Salat“, sagt die Frau, als es um die Vorspeise geht. Jan lacht ein wenig verlegen, vermutlich auch, weil er weiß, dass ich mithöre. „Wollt ihr noch was essen?“, fragt er, als der Plan steht, „ich hätte da noch eine tolle Leber aus dem Bergischen, mit ein bisschen Rhabarber, Maiwirsing und Püree.“ „Ach, Leber“, sagt die Frau und ich kann ihre Begeisterung spüren, ohne mich umdrehen zu müssen. „Aber ich habe so eine hohe Harnsäure.“ „Dann vielleicht etwas anderes“, sagt Jan, verabschiedet sich. „Weißt du was“, sagt die Frau zu ihrem Mann, als er weg ist, „der Harnsäure ist das heute mal egal, glaube ich.“
Als die beiden ihr Essen bekommen, schaue ich mit Absicht nach draußen, ich will das Gefühl noch etwas hinauszögern, dass gleich etwas ganz Besonderes kommt. Etwas, bei dem ich – und wenn auch nur als Zuschauer – dabei war.