soulfood düren – #005

Düren. Ich mache mich auf die Suche nach den kulinarischen Vorlieben, Erinnerungen und Gewohnheiten dieser Stadt mit deutschem Durchschnitt. Zwischen Köln und Aachen, zwischen hier und da. Ungeliebte Stadt, weggebombt und Annakirmes, Underdog, Papier. Reden wir drüber, denn sprechen über Essen und Trinken heißt sprechen über das Leben, die Liebe und die Stadt …

Bonjour Vietnam, Düren, November 2016

Bonjour Vietnam, Düren, November 2016

Bonjour Vietnam

Auf meine Anfrage im Facebook-Forum „Düren, unsere Stadt“, bekomme ich den neuen Vietnamesen in der Zehnthofstraße ans Herz gelegt. „Unbedingt empfehlenswert“, schreibt D., „authentische Küche, guter Service. Eine Bereicherung für Düren.“ „Was gab’s denn beim letzten Besuch?“, frage ich zurück. Prompt folgen zwei appetitliche Fotos. „Unbedingt den vietnamesischen Kaffee zum Abschluss.“ „Und die Suppe als Vorspeise“, ergänzt M. mit einem eigenen Bild. „Follow the crowd“, denke ich und auch wenn es ein paar Wochen dauert, sitze ich eines Mittags im „Bonjour Vietnam“.

„Was möchten Sie trinken?“, fragt eine junge Frau. „Tra Chanh Muoi“, sage ich. Sie lächelt. „Die 108, alles klar.“ Der Speisekarte entnehme ich, dass „Tra Chanh Muoi“ übersetzt etwa „salzige Perlen“ bedeutet. Das Getränk wird mit in Salz und Rohrzucker eingelegter Limette zubereitet und in Vietnam bei Halsschmerzen getrunken. Die habe ich nicht, auch wenn die Passanten draußen in dicken Jacken und mit Regenschirmen in der Hand vorbeigehen. Der Geschmack des Tees erinnert mich an japanische Umeboshi-Pflaumen. Gewagt für Düren, aber warum nicht?

Ich bestelle Phở Bò – Reisbandnudelsuppe mit Rind, Frühlingszwiebeln und frischen Kräutern. DER vietnamesische Klassiker. Auf dem Tisch in dunkler Holzoptik steht eine kleine Bromelie in einem orangefarbenen Topf und ein kleiner Buddha, der ein Teelicht hält. Die dezente Klaviermusik im Hintergrund erinnert an Sauna-Ruheräume. Der junge Kellner bringt Messer, Löffel und Stäbchen und ich bemerke, dass ich gar nicht weiß, ob in Vietnam mit Stäbchen gegessen wird oder ob es sich hierbei um eine Anpassung an die deutschen Erwartungen für „China-Restaurants im weitesten Sinne“ handelt.

Draußen arrangiert eine Frau mit Pudelmütze ein kleines Mädchen im Kinderwagen. Das schaut interessiert auf die weißen Reispapierballons, die im Wind unter der blau-weiß gestreiften Markise schaukeln. Die Busse fahren vor dem Rathaus an und wieder ab und geben den Blick frei auf die schwarz-gelben Mosaike am Seitenaufgang. An der Glastür des Restaurants hängt ein Plakat, das den Weihnachtsmarkt auf Schloss Merode bewirbt, dahinter kann ich, am Ende des Platzes, die ersten Buden auf dem Kaiserplatz erkennen.

Der junge Mann bringt mir die Suppe. Die duftet nach Sternanis, Koriander und Minze. „Möchten Sie auch Chilisoße und Limetten?“, fragt mich seine Kollegin und wirft einen interessierten Blick auf meine Notizen neben der Suppenschüssel. „Isst man die zu Phở?“, frage ich. Sie nickt. „Dann gerne.“

Weitere Einblicke in die vietnamesischen Küche hier im Videoclip von Clemens Glade.

Drei ältere Damen betreten das Restaurant und entscheiden sich für einen Tisch im vorderen Bereich. „Wo Sie möchten!“, sagt der Kellner. „Das ist schön“, antwortet eine von ihnen, „Rosemarie, wie ist es dir?“ Sie hängen ihre Jacken an die Garderobe, nicht ohne vorher sorgfältig die Taschen auf vergessene Wertgegenstände durchgeschaut zu haben. „Schade, dass wir uns nicht mehr gesehen haben.“

Ich bestelle, wie empfohlen, noch einen vietnamesischen Kaffee. „Cafe Trung Nguyen – Vietnamesischer Brown-Coffee, serviert im Blechfilter mit gesüßte Kondensmilch, leicht nussiger Schokoladengeschmack.“

Eine der drei Damen stellt sich schräg hinter mich, um den anderen das Mittagsangebot auf dem Aufsteller auf dem Bürgersteig vorzulesen. „Zarte Hühnerbrust mit verschiedenen Gemüsen und Bio-Apfelstücken …“

Der Kaffee kommt in einem kleinen, auf der Tasse aufgebauten Türmchen. „Muss ich etwas beachten?“, frage ich den Kellner. „Entschuldigung“, sagt der, „ich dachte, Sie würden das schon kennen.“ Er erklärt mir, dass ich den Filter erst abnehmen solle, wenn das Wasser ganz durchgelaufen sei. „Und am besten nicht hier anfassen. Manchmal fällt das wieder runter.“ Er spricht mit einem nicht-rheinischen deutschen Akzent, den ich nicht zuordnen kann. „Alles klar“, sage ich.

Mehr zur vietnamesischen Kaffeekultur hier im Videoclip von Clemens Glade.

Zwei der drei Damen hinter mir trinken ein Glas Weißwein. Die dritte muss vermutlich noch fahren. Eine hat Geburtstag und bekommt ein Glas selbstgemachte Marmelade geschenkt. Draußen regnet es noch immer und unabhängig vom Wetter habe ich noch lange keine richtige Lust, aufzubrechen.