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Auf dem riesigen Parkplatz für 850 Autos gibt es nur noch wenige Lücken. Eine Frau in einer rosafarbenen Jacke schiebt einen gleichfarbigen Schirm im Einkaufswagen über den Zebrastreifen. Offensichtlich hat sie noch nicht das gefunden, was sie sucht – beim Aldi, bei C&A, Müller oder Edeka. Am Eingang des Mall-artigen Gebäudes steht eine Vitrine mit Printenkisten auf denen die Büste Karls des Großen zu sehen ist. Daran merkt man, dass man sich in Aachen befindet, alles andere könnte auch in Brandenburg, Bayern oder Bremen stattfinden.
Im großzügigen Café der zu den Printen gehörenden Bäckereifiliale ist jeder Tisch belegt. Auch der Asia-Imbiss und das mediterrane Restaurant sind mehr als voll. Reger Samstagmittagsbetrieb. Innendrin im Edeka – rechtsherum geht man rein, linksherum kommt man wieder raus – verläuft sich das Publikum in den weiten Gängen. Orientierung bietet die thematische Aufteilung mit entsprechender Beschriftung. Sehr praktisch, wenn man beispielsweise „Deutsche Teigwaren“ sucht. Ich navigiere um Angebotsinseln mit Osterwaren in Pastellfarben, solche mit heruntergesetzten Liebesromanen für € 3,95 das Stück und einen großen schwarzen Kühlschrank nur für Craftbiere. In der Backwarenabteilung gibt es vier verschiedene Sorten Trockenhefe und um die Ecke eine ganze Wand mit lauter Nicht-Nespresso-Kaffeekapseln, wahlweise auch in Bio und/oder Fair Trade. Mehrere Angestellte stehen bei den Marmeladen und unterhalten sich. Er sei um sechs Uhr dann doch noch mal ins Bett gegangen, erzählt ein junger Mann, der Hahn im Korb.
Neben Einkaufswagen gibt es große Körbe zum Hinterherziehen und kleinere zum Tragen. Die mit den Rollen haben lange dünne Griffe auf denen in Deutsch und Englisch vermerkt ist, dass es sich um antibakterielles Material handelt. Ich werfe einen Blick in beide Korbvarianten und entdecke Papierreste. Obwohl ich eigentlich ja nur ein Päckchen Trockenhefe kaufen möchte, nehme ich einen großen aseptischen Korb, fahre ein paar Meter, greife mir heimlich den Zettel, überlege es mir wieder anders und bringe den leeren Korb zurück. Wahrscheinlich, so denke ich, wäre es unauffälliger, ich würde den Zettel einfach aufheben.
- 4 x Jack Daniels
- 4 x Senfgurken
- 4 x Pflanzenöl
- Streuselkuchen
- Kirschstreuselkuchen
- Kuchen
- Teekanne Tee
- Bananen
- Teekanne Apple Pie
- 2 x Teekanne Tee
- Pfa Knödel
- Teekanne Kleine Su
- Teekanne Flirt Tee
- Saftbockwurst
- Orangenmarmelade
- G+G Schinkenwurst
- 2x Schwart Marmelade
- 2 x Heringsfilet
- Hausm. Blutwurst
- Hausm. Leberwurst
- Wiesbauer Brat Hax’n
32 Posten zum Preis von € 115,65. Mehr als die Hälfte geht für den Whiskey drauf. Eine Menge Stoff. Eine Party? Wenn ja, gäbe es dort wohl außer Wurst und Kuchen hauptsächlich Schnaps. Aber das mit der Einkaufsroutine der anderen ist so eine Sache. Ein Freund erzählt mir, dass er seine Einkäufe meistens bei Rewe UND Basic erledigt. Weil die nebeneinander liegen. Vielleicht wurden Chips und Flips ja schon draußen beim Aldi gekauft und Cola und Fanta gibt’s gleich noch im Getränkemarkt auf der anderen Ecke. Und nein, ich werde auch in Zukunft nicht in benachbarten Geschäften nach passenden Bons suchen.
In jedem Fall gibt es Tee, viel Tee. Ich streiche den Kuchen, die Gurken und die Bananen und bleibe an Whiskey, Heringen und Orangenmarmelade hängen. Nachdem ich einen Abend lang überhaupt keine Ahnung habe, arbeitet mein Unterbewusstsein über Nacht und produziert die Idee von eingelegtem Hering. Auf einem netten schwedischen Blog recherchiere ich ein Grundrezept für eingelegte Heringe. Da müssen jetzt irgendwie noch Jack Daniels und Orangenmarmelade rein. Aber noch bin ich nicht am Ziel. Auch nicht, als ich durch den Regen zum einzigen übriggebliebenen Fischgeschäft der Stadt radele. Das hat montags zu, aber die abgepackten Matjes aus der Kühltheke erweisen sich als durchaus passabel. Auch den Jack Daniels muss ich mir erarbeiten. „An der Kasse erhältlich“, steht am entsprechenden Regalbrett vermerkt. Vermutlich die meist geklaute Spirituose. Da bin ich mit meinen Kassenzetteln ja noch harmlos.
Eingelegter Hering mit Orange und Whiskey
- 100 ml Essigessenz
- 600 ml Wasser
- 200 g Zucker
- 4 Lorbeerblätter
- 2 Zimtstangen
- 1 EL weiße Pfefferkörner
- 12 Pimentkörner
- 10 Nelken
- 1 EL Koriandersamen
- 2 EL Orangenmarmelade
- 100 ml Whiskey
- 750 g frischen Matjesfilets
- 1 Zwiebel
- 2 Möhren
- Zesten einer Bio-Orange
Essigessenz, Wasser, Zucker und Gewürze aufkochen und zehn Minuten auf kleiner Flamme ziehen lassen. Abkühlen lassen. Zwiebeln in sehr feine Ringe, Möhren in feine Stifte und Matjes in Stücke schneiden, alles mit den Orangenzesten vermischen und in Weckgläser füllen. Orangenmarmelade unter den Gewürzsud rühren, abkühlen lassen und Whiskey hinzugeben. Sud auf die Heringsmischung geben, dabei darauf achten, dass die Gewürze gleichmäßig verteilt werden. Fest verschließen und im Kühlschrank mindestens 24 Stunden durchziehen lassen.
Kas|sen|zet|tel ist, wie alle Texte auf dieser Seite, ein unabhängiges Projekt, das in keinerlei Abhängigkeit zu den beschriebenen Supermarktketten steht.