ethnografische notizen 113: foodcamp oberpfalz (4/9) – schlachttag

Schwein im Kloster Plankstetten, November 2015

Schwein im Kloster Plankstetten, November 2015

Das mit dem Schlachten ist eine einfache Sache. Eins der Schweine wird ausgesucht. Elektrozange angesetzt. Stromstoß. Schwein fällt um und zuckt vielleicht noch ein bisschen. Einer der Hinterläufe wird an einem Haken befestigt und von einem Motor hochgezogen. Kehlschnitt. Ausbluten. Gebrüht, geflämmt. Mit geübten Handgriffen und einem sehr scharfen Messer wird die Bauchdecke geöffnete. Gedärm entnommen, Innereien aneinanderhängend an eine Art Karussell gehängt. Mit einem langstieligen Beil, nicht mit der Säge wird das Tier in zwei Hälften zerteilt und auf einer Schiene in den nächsten Raum gezogen. Soweit die Kurzfassung. Den Rest möchte ich den Lesern ersparen. Mein Unwohlsein vorab, das Staunen beim Zugucken und die Wichtigkeit, den Vorgang mal gesehen zu haben. Das kann man vielerorts lesen und muss nicht noch einmal aufgeschrieben werden. Noch einen Erfahrungsbericht braucht keiner. So authentisch sie sein mögen, die Beschreibung des finalen Moments und das da herumkreisende eigene Befinden ist immer gleich. Aber es ist das Danach – der kurze Einblick in die Verarbeitung in der Wurstküche und der Besuch des Schweinestalls im klostereigenen landwirtschaftlichen Betrieb – das meinen Horizont an diesem Vormittag recht eigentlich erweitert.

Als die zehn für diesen Montag bestellten Schweine geschlachtet sind, verlassen wir unseren mit einer roten Schnur abgetrennten Beobachtungsplatz am Eingang der Wurstküche. Wir trinken, vollkommen übermüdet vom vorhergegangenen 8-gängigen Abend und der frühen Abfahrt, Kaffee im Frühstücksraum des Klosters und harren der Dinge. Ein erstes Drittel der Teilnehmenden wird irgendwann von der Hauswirtschafterin in die Küche gebracht. Der Bäcker kommt die zweite Gruppe holen. Um das numerische Gleichgewicht zu wahren, entscheide ich mich spontan, in die Fleischerei zu wechseln, auch wenn die nicht unbedingt neu für mich ist. Dachte ich zumindest. Vor der Wurstküche geht es mit Warten weiter. Der Meister ist nicht wirklich glücklich über unseren Besuch, fragt nach Gesundheitszeugnissen und kann erst durch den energischen Zuspruch des Bruder Cellerars dazu bewegt werden, uns erneut einzulassen. Da wo es eine Stunde zuvor noch nach verbrannten Borsten gerochen hat, hat sich ein weitaus unangenehmer Geruch breit gemacht. Einer der Metzger ist dabei, die frisch ausgespülten Därme mit einer Schnur für die Blutwurstbefüllung vorzubereiten. Mit geübten Handgriffen bindet er den gelblich-weißen Darm in regelmäßige Abschnitte. Ein bisschen wie Makramee. Er schärft sein Messer hintereinander an zwei Wetzstahlen und schneidet sein Werk in Stücke. Der Meister ist nicht mehr zu sehen und die beiden anderen Mitarbeiter tauen auf, als sie merken, dass wir uns für ihre Arbeit interessieren und uns nicht scheuen, anzupacken. Appetitlicher Qualm aus der geöffneten Räucherkammer vertreibt den dumpfen Tiergeruch. Der ältere von den beiden fischt mit einem großen Schaumlöffel im Wurstkessel. Masken, Köpfe und Netze mit Innereien. Die gekochten Nieren sehen aus wie Kartoffeln. Er nimmt eine Zunge und kratzt eine weiße Haut herunter. „Wer von euch ist gut mit dem Messer?“. Ich hebe die Hand. „Obacht. Ist scharf.“ Sein Kollege neben mir macht mir vor, wie ich zu schneiden habe. Kleine Stücke, die für den Presssack in eine rote Plastikwanne zurecht gemacht werden. Das Schneiden geht gut. Ohne zu reden arbeiten wir zu fünft an einem Tisch. Der Metzger neben mir steckt sich ein Stück Zunge in den Mund. Um zu prüfen, ob die Qualität stimmt, denke ich. Beim zweiten Stück keimt jedoch der Verdacht, dass das eher was mit Genuss zu tun haben könnte. „Kann man das so probieren“, frage ich vorsichtig. „Klar“, sagt er und sein Kollege streut einen Löffel Salz in die Mitte des Tisches. „Dann schmeckt’s noch besser!“ Wir schneiden weiter und probieren nach der Zunge auch die Nieren, das Herz und die Schnauze. „Steckdose“, sagt einer der Metzger, „schmeckt alles anders.“ Und dann ist auch schon wieder Zeit zu gehen. „Danke“, sage ich, „wenn man euch bei der Arbeit zuguckt, bekommt mein wieder Lust auf Fleisch.“ Die beiden schauen mich überrascht an. „Seid’s ihr von einer Firma?“. „Nein“, erklären wir, „wir sind Leute, die über Essen schreiben.“ „Aha“, sagen die Metzger und fahren mit ihrer Arbeit fort.

Mit dem Bus fahren wir weiter bis zu den Ställen, ein paar hundert Meter den Berg hinauf. Der Betriebsleiter, in diesem Fall ein Mönch in Arbeitskleidung, empfängt uns vor dem Mutterkuhstall. In knappen zehn Minuten erklärt er uns, warum ökologischer Landbau die einzige sinnvolle Option ist und warum der blinde Glaube an unbeschränktes Wachstum eine Sackgasse ist. Vorbei an den Kühen, dem Stier Hiob und den Ochsen gehen wir Richtung Schweinestall. „Die Tiere sind noch ordnungsliebender als wie wir“, sagt der Pater, „darum haben die hintereinander ein Wohnzimmer, ein Esszimmer und ein Klo.“ Zwölf Schweine leben in jeder auf diese Weise strukturierten Stalleinheit. Weil die Tiere ein ausgeprägtes Sozialleben haben und gerne mit den immer gleichen Nachbarn zusammenwohnen. Von einer kleinen Empore schauen wir auf sie hinunter, wie sie geschickt mit den Schnauzen die Türe zum Stall aufmachen und im Galopp vorne ans Gatter in dies Sonne rennen. Manchmal schauen sie zu uns auf. Klugheit im Blick. Während wir der Chef uns die Futtermittelproduktion erläutert gehe ich um die Ecke zu den Tieren hinunter. Die Schweine strecken ihre Rüssel durch das Eisengitter. Vorsichtig strecke ich die Hand nach ihnen aus, noch ein bisschen ängstlich, dass sie mich vielleicht beißen können. Aber auch die Schweine suchen Kontakt. Sie legen ihre warmen, weichen Schnauzen auf meine Finger und schnüffeln. Ein – und endlich kreise ich dann doch um meine eigene Befindlichkeit – wunderbares Gefühl. Auch wenn ich vor einer knappen Stunde genau diesen Körperteil zerschnitten und gegessen habe. „Woran erkennt man ein Bioschwein?“, fragt einer aus der Gruppe und zielt mit seiner Frage auf den Ringelschwanz. „Naa“, sagt der Pater, „vor allem am glücklichen Gesicht.“