ethnografische notizen 075: kantine

Deutsche Kantineneinrichtung, Köln 2014

Deutsche Kantineneinrichtung, Köln 2014

„Wie kommen Sie hier weg?“, fragt mich Herr F., mein Ansprechpartner im Autohaus. „Gar nicht“, antworte ich, „eigentlich wollte ich warten.“ Ich bekomme Anweisung über den Hof und die Treppe hinauf zu gehen, um mir in der Kantine ein Brötchen und einen Kaffee geben zu lassen.

Die Kantine in der ersten Etage ist um diese Uhrzeit noch leer. Eine sehr freundliche Dame im weißen Berufskittel, mit einem Papierschiffchen auf dem Kopf und einem zarten ostdeutschen Akzent fragt mich, ob sie mir weiterhelfen könne. „Herr F. schickt mich“, sage ich wahrheitsgetreu, „vielleicht kann ich einen Kaffee bekommen?“ „Na klar“, sagt die Dame, „machen Sie sich doch ein Brötchen.“ Sie zeigt auf die linke Seite der Theke, wo ein großer Korb mit Brötchen steht und verschiedene Teller mit Wurst und Käse unter Frischhaltefolie. Ich lehne dankend ab. „Ein süßes Teilchen vielleicht?“ Auch das nicht. „Dann ein Stück ganz frischen Rührkuchen!“ Weil der so aussieht, als sei er von zuhause mitgebracht, gebe ich nach. Sie schaut sichtlich zufrieden und macht sich an den Kaffee. „Ach nee, jetzt funktioniert mein Ding hier wieder mal nicht.“ Der WMF-Vollautomat gibt die Meldung „Wasserdruck“ und ist so groß, dass sie sich auf die Zehenspitzen stellen muss, um die oberen Funktionen zu bedienen. Der vorgebrühte Kaffee jedoch läuft einwandfrei. Weil sie mir eine richtig volle Tasse geben will, drückt sie noch einmal auf den Knopf. Sie verschwindet hinter der Theke und schneidet mir ein riesiges Stück luftigen Marmorkuchen.

Ich wähle einen der Tische in der Mitte des Raumes mit Blick aus dem großen Fenster über den Hof. An einer Pinnwand hängen diverse Bilder von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Daneben ein Ventilator, ein Cola-Automat und eine historische Schwarz-Weiß-Aufnahme von einer Messe mit VW-Käfern. Der Raum ist mit typischem Kantinenmobiliar ausgestattet, praktische Stühle aus hellem Holz und Edelstahl und Tische mit einer hellgrau gesprenkelten Kunststoffoberfläche. Darauf hellgrüne Papierservietten mit floralem Design und ein Ständer mit Pfeffer und Salz. Eine mit einem Klebezettel versehene Plastiktüte lässt erkennen, dass nicht alle Plätze zu haben sind. Auf einem anderen Tisch liegen ein Kartenspiel und ein Schreibblock mit den Ergebnissen vom Vortag. Ein junger Mann in blauer Arbeitshose betritt die Kantine und möchte ein Getränk. „Nimm’s Dir selbst“, sagt die an einem Tisch hinter mir befindliche Kantinenchefin, „ich hab mich gerade hingesetzt. Sonst komme ich heute nicht mehr dazu.“ „Das kenne ich“, sagt der Mann und legt 60 Cent auf die Theke. Ich verschicke eine Whatsapp mit einem Foto vom Kuchen. „Wo bist Du?“, kommt die Frage zurück. „Im Autohaus“, antworte ich, „ich glaube ich bleibe bis heute Abend!“